"Nicht panisch strampeln, wenn die Finanzhaie kommen" Exklusiv

14.02.2016

Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas ist in eine Phase der „neuen Normalität“ eingetreten. Das BIP-Wachstum bleibt bei rund 7 Prozent. Doch einige westliche Medien vergleichen das gerne mit den zweistelligen Wachstumsraten der Vergangenheit und reden dann häufig von einem „Niedergang des chinesischen Wirtschaftswachstums“. Was sagen Sie dazu?

Das ist alles Jammern auf hohem Niveau. Sieben Prozent Wachstum sind etwas, wovon die meisten westlichen Länder nur träumen können. Nein, dem Westen ist einfach klar geworden, dass China den Karren nicht alleine aus dem Dreck ziehen kann. Das macht natürlich vielen ein bisschen Angst, und dann zeigt man gerne auf China und behauptet sogar, dass es der Auslöser für eine neue Krise im Westen sein könnte. Aber das ist natürlich Quatsch. Das Grundproblem, vor dem die gesamte Welt steht, ist doch, dass einfach viel zu viele Schulden gemacht wurden. Es hätte schon 2008/09 eine größere Bereinigung des Marktes geben müssen, aber was hat man stattdessen gemacht? Geld gedruckt, Kredite ausgegeben – und weitergemacht wie bisher. Was China jetzt versucht, nämlich zu einer „neuen Normalität“ zu finden, ist sehr vernünftig. So wird man vielleicht um einen großen Schock für die Wirtschaft vermeiden können: langsamer Schuldenabbau, Restrukturierung der Wirtschaft, Verbesserung der Infrastruktur, Erhöhung des Konsums und natürlich das Seidenstraßen-Projekt. Ich denke, der Westen wird in den nächsten zwei bis drei Jahren deutlich mehr Schwierigkeiten bekommen als China, was das Wirtschaftswachstum anbelangt.

Seit dem letzten Sommer hat der chinesische Aktienmarkt zwei große Schocks erlebt. Was ist Ihre Ansicht zu der Zukunft des chinesischen Aktienmarkts?

Die beiden Schocks am chinesischen Aktienmarkt haben in China und auch weltweit für Verunsicherung gesorgt. Der Start ins neue Jahr ist bisher alles andere als glücklich verlaufen. Das gilt übrigens nicht nur für China. Man muss allerdings sagen, dass die Entscheidung der chinesischen Börsenaufsicht (CSRC), einen „Notausschalter“ einzuführen – also einen Mechanismus, der bei einem Kursrutsch von sieben Prozent automatisch den Handel aussetzt – keine besonders gute Idee war. Die CSRC hätte es eigentlich besser wissen müssen. Wenn man versucht, abstürzende Aktienkurse mit überhasteten Zwangsmaßnahmen aufzuhalten, verunsichert man die Märkte nur noch mehr – die Kurse stürzen dann immer weiter ab. Das ist doch auch verständlich: Wenn die Händler an ihren Computern auf „verkaufen“ klicken, und es tut sich nichts, dann geraten sie natürlich in Panik. Deshalb hat die CSRC diesen Mechanismus ja auch wieder beseitigt.

Wenn man die zugrundeliegenden Wirtschafts- und Unternehmenskennzahlen betrachtet, dann muss man leider sagen, dass es absolut keinen Grund für die extrem hohen Aktienkurse gibt. Weder in China, noch im Westen. Jedenfalls nicht von den Fundamentaldaten her. Hier hat sich – dank des vielen, billigen Geldes, das nach dem Beginn der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008/09 zur Stützung des Finanzsystems von den Regierungen bzw. den Zentralbanken bereitgestellt wurde – einige riesige Blase entwickelt. Insgesamt gesehen handelt es sich eigentlich nur um eine Bilanzverlängerung bei den Zentralbanken: Stützungskredite, denen in der Realwirtschaft keine echten Werte gegenüberstehen.

Diese Megablase – die noch gigantischer wird, wenn man die ganzen, nutzlosen Finanzderivate hinzunimmt – muss massiv reduziert werden. Das geht nur, wenn die Blase platzt. Oder, indem man langsam die Luft ablässt.

Wenn die Blase platzt, gibt es eine „harte Landung“. Ich glaube aber nicht, dass das in China passieren wird.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Marc-Stephan Arnold,Wirtschaftswachstum