„Qiongyou“ – Die neue, große Lust der Chinesen am Reisen mit kleinem Budget

05.05.2016

Der Umbruch im Reiseverhalten der Chinesen spiegelt sich wohl nirgends so deutlich wider wie im Erfolg einiger neuer Reiseportale im Internet.

Der Umbruch im Reiseverhalten der Chinesen spiegelt sich wohl nirgends so deutlich wider wie im Erfolg einiger neuer Reiseportale im Internet, die in den letzten Jahren im Reich der Mitte entstanden sind. Den Anfang machten klassische Buchungsplattformen wie Ctrip oder Qunar, über die Chinas Nutzer selbst online Hotels, Flüge, Zugtickets und andere Reisedienstleistungen buchen und deren Preise vergleichen konnten. Diese neuen Möglichkeiten des Internets machten Chinas Touristenheer ein erstes Stück unabhängiger vom Diktat professioneller Reisebüros und Tourenanbieter. Reisen wurde damit für die Masse der Chinesen erstmals ein gutes Stück individueller.

2004 trat dann ein Portal auf den Plan, das Chinas Reisebranche ein weiteres Mal umkrempeln sollte. „Qiongyou Ouzhou“ (穷游欧洲) - „Arm durch Europa reisen“ nannte der Auslandsstudent Xiao Yi seine Reiseplattform. Sie sollte seinen Landsleuten ein portemonnaiefreundliches Erkunden des alten Kontinents ermöglichen. Der junge Gründer selbst absolvierte damals noch ein Auslandsstudium in Hamburg. Seine Idee: Chinesischen Reisefans eine Plattform zum Austausch von Erfahrungen und Traveltipps geben. Anfangs zählten vor allem andere chinesische Auslandsstudenten zu den Nutzern. 2006 taufte Xiao Yi seine Website in Qyer.com um, auf Chinesisch „Qiongyou-Netz“ (穷游网). Ein Bericht des internationalen Kanals von CCTV im Juli des gleichen Jahres brachte schließlich auch in der Heimat China den Durchbruch. Mit seiner Idee, das Wissen der Masse zu bündeln und auf usergenerierten Content zu setzen, über den die Nutzer eigene Erfahrungen teilen konnten, traf nicht nur den Nerv der Zeit. Mit dem Firmennamen gab Xiao Yi dem neuen Reisegefühl junger Chinesen auch gleich noch einen neuen Namen mit auf den Weg. Der Begriff „Qiongyou“ war geboren.

Heute können chinesische Globetrotter auf Qyer.com Infos über zehntausende Reiseziele in der ganzen Welt beziehen und mit Hilfe der Erfahrungen und Bewertungen anderer Nutzer ihre ganz eigene Reiseroute zusammenstellen. Zudem hat Jungunternehmer Xiao Yi das Portal zu einer touristischen Dienstleistungsplattform ausgebaut, auf der chinesische Kunden und weltweite Tourismusanbieter zueinander finden. Ob Visumsbeschaffung oder Mietwagenverleih, ein Elefantenritt in Thailand oder die romantische Kutschfahrt durch Wien, heute können „Qiongyou-er“ solche Dienste vor oder während ihrer Reise direkt und günstig über das chinesische Portal buchen. Die Bezahlung erfolgt vorab online bequem in Renminbi. Über eine kostenlose App haben die Nutzer der Seite zudem die Möglichkeit, alle Infos, Reisepläne und Bewertungen per Smartphone bequem aus der Hosentasche von unterwegs abzurufen.

Auch chinesische Touristen wollen nicht mehr bloß ausgetrampelte Eifelturmumrundungen im Gleichschritt, sondern auf individuellen Reiserouten wandeln.

Das Erfolgsmodell von Qyer, das Social-Media-Elemente mit einer Online-Dienstleistungsplattform vereint, hat in China mittlerweile zahlreiche Nachahmer gefunden. Zu den erfolgreichsten gehört sicherlich die Website Mafengwo.com (蚂蜂窝), zu Deutsch „Hornissennest“, die seit 2006 besteht. Auch sie ist zu einer beliebten Internet-Anlaufstelle für Chinas Individualreisende avanciert und auch sie setzt auf eine Verbindung aus von Nutzern selbst generierten Inhalten, Bewertungen und Forenbeiträgen und der Schaffung einer Schnittstelle zwischen Kunden und touristischen Produkten und Dienstleistern vor Ort im Reiseland.

Ein besonderes Highlight des Portals ist sicherlich die firmeneigene App, die Reisefans vor, während und nach der Reise als hilfreicher Begleiter zur Seite steht. Über 280 Millionen Mal wurde die Anwendung, die Reiseinfos rund um Sehenswertes, Kulinarisches und Kulturelles vereint, bereits herunter geladen, womit sie es in die ständigen Top 5 der beliebtesten Reise-Apps weltweit des Apple-Store gebracht hat. 2015 wurde sie außerdem auf der Global Mobile Internet Conference unter die 50 besten Apps weltweit gewählt. Neben umfangreichen Infos und Bewertungen beantworten Reisecracks über die Applikation im Live-Chat direkt Fragen der Reisenden. Eine weitere Applikation der Firma übersetzt den nötigen Reisewortschatz mobil in 17 Sprachen sowie 13 chinesische Dialekte. Und die firmeneigene App Weng Weng (嗡嗡) ermöglicht es Reisenden, per GPS Eindrücke und Erfahrungen auf einer digitalen Karte genau festzuhalten, zu speichern und später mit Freunden oder anderen Usern zu teilen. So können die Reisenden mit Hilfe von Mafengwo nicht nur ein multimediales Reisetagebuch führen, sondern ihre Eindrücke auch mit ganz präziser Verortung speichern und teilen, was es anderen Globetrottern wiederum ermöglicht, auf ihren Fußspuren zu wandeln. Laut Mafengwo nutzen allein die interaktive Reiseroutenfunktion jeden Tag rund 3,8 Millionen Menschen.

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Reisen,Geld,China,Qiongyou,Touristen