G20-Gipfel: Streben nach innovativer, starker, vernetzter und inklusiver Wirtschaftsentwicklung
Die Kooperation im Rahmen der G20 zeigt außerdem, dass sich die Beziehungen Chinas zur Außenwelt in den vergangenen Jahren maßgeblich gewandelt haben. Nachdem China mittlerweile zur weltweit größten Handels- und Wirtschaftsnation aufgestiegen und ein wichtiger Handelspartner von mehr als 200 Ländern und Regionen weltweit geworden ist, sind China und die Welt zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengewachsen. China ist nicht nur gewillt, sondern auch in der Lage, entsprechende internationale Verantwortung zu schultern, indem das Land nicht nur im Rahmen der G20 eine noch aktivere Rolle übernimmt, sondern auch in Bezug auf andere globale Verwaltungsmechanismen einen noch größeren Beitrag leistet.
Die Vitalität der Weltwirtschaft beleben
Zurzeit steht die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer vor einem entscheidenden Wendepunkt. Noch immer nämlich schwächelt die Weltwirtschaft, während die Schwankungen des internationalen Finanzmarktes zunehmen und Handel und Investitionen noch immer auf niedrigem Niveau fluktuieren. Auch liegt die Arbeitslosenrate weltweit nach wie vor hoch und viele Länder sehen sich mit Problemen der ungleichmäßigen Verteilung konfrontiert. Angesichts dieser Schwierigkeiten bedarf es innovativer Konzepte und neuer Ideen für die globale Entwicklung sowie die Ausgestaltung der globalen Wirtschaftsordnung. China wird hierzu zweifelsohne einen wichtigen Beitrag leisten.
Am 1. Dezember 2015, als China die G20-Präsidentschaft übernahm, stellte Chinas Staatspräsident Xi Jinping in einer Rede vor, wie China den G20-Gipfel 2016 in Hangzhou gestalten wolle. Er erklärte den „Aufbau einer innovativen, starken, vernetzten und inklusiven Weltwirtschaft“ zum Hauptthema des Gipfels. Ziel sei es, auf die Entwicklungsbedürfnisse verschiedener Länder, die sich aus der gegenwärtigen Situation der Weltwirtschaft ergeben, angemessen zu reagieren. Es werde nicht nur nach einer momentanen Stabilisierung des Wachstums der Weltwirtschaft gestrebt, sondern auch nach einer langfristigen Triebkraft.
Der bevorstehende G20-Gipfel 2016 hat zudem vier zentrale Diskussionsgegenstände: die Innovation der Wachstumsweise, die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der globalen Wirtschafts- und Finanzordnung, den Aufbau eines starken internationalen Handels und starker internationaler Investitionen sowie die Realisierung einer inklusiven und vernetzten Entwicklung.
Bei der Entwicklung innovativ zu sein, wie es das Motto des diesjährigen Gipfels fordert, bedeutet dabei nicht nur wissenschaftlich-technische Innovation, sondern schließt auch Innovationen bezüglich des Entwicklungskonzepts, der Systeme und Mechanismen, der Handelsmodelle sowie der strukturellen Reformen mit ein. All dies zielt auf die Schaffung neuer Antriebskräfte für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Dafür müssen aber zuallererst die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gesteigert werden. Die Anteile der Nord-Länder der G20 an den weltweiten Ausgaben zu diesem Zweck sanken allerdings von 2010 bis 2014 um fünf Prozent, während die Anteile der Süd-Länder in diesem Bereich um drei Prozen zulegten. Der Anteil Chinas stieg im genannten Zeitraum um 3,7 Prozent.
In Zukunft sollten die Nord-Länder der G20 ihre Ausgaben für langfristige, innovative und produktive Forschung und Entwicklung steigern und kurzfristige, soziale und nicht-produktive Subventionen reduzieren. Die Süd-Länder der G20, die ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung derzeit aufstocken und Innovationszentren im Inland aufbauen, sollten währenddessen den Nutzeffekt und die Effizienz ihrer Investitionen erhöhen und gewährleisten, dass die heimische Bevölkerung den größten Nutzen der Maßnahmen davonträgt.
Mittlerweile hat sich China zu einem der weltweiten Zentren für technische Innovation entwickelt. 2010 machten die Erfindungen, die in China zum Patent angemeldet wurden, rund 20 Prozent aller Patentanmeldungen weltweit aus. Damit überholte China zwar damals bereits seinen Nachbarn Japan (rund 17 Prozent), lag aber weiterhin hinter den USA (rund 25 Prozent) zurück. 2014 zog China schließlich mit einem Patentanteil von rund 46 Prozent auch an den USA (22 Prozent) vorbei (Japan: 12 Prozent). Von dieser Tendenz ausgehend dürfte China in den kommenden Jahren eine effektive Antriebskraft für technische Innovation weltweit sein.
Um eine starke Weltwirtschaft aufzubauen, wie es das Thema des aktuellen G20-Gipfels fordert, ist es angesichts des schwachen Wachstums der Weltwirtschaft unabdingbar, nach neuen Wegen zu suchen, neue Energien zu erschließen und neue Vitalität zu entfachen. Mittlerweile ist unter anderem der Tourismus zu einem neuen Entwicklungsmotor avanciert. Nehmen wir allein China als Beispiel: 2015 betrug hier die Zahl der inländischen Touristen400 Millionen (wobei ein Teil der Chinesenmehrfach im Inland verreiste). 2020 dürfte die Zahl Schätzungen zufolge 650 bis 700 Millionen betragen. 2015 gaben Chinesen insgesamt 3,42 Billionen Yuan (umgerechnet rund 462 Milliarden Euro) für Inlandsreisen aus. Bis 2020 dürfte sich diese Summe mindestens verdoppeln.
Laut Angaben der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) betrug die Zahl der chinesischen Auslandstouristen 2015 insgesamt 120 Millionen (wobei auch hier ein Teil der Chinesen mehrfach ins Ausland reiste). Damit ist China ein wichtiges touristisches Herkunftsland geworden. Die Reiseziele der Chinesen umfassten 2015 insgesamt 151 Länder und Regionen, wo chinesische Reisende zudem rund 104,5 Milliarden US-Dollar ausgaben. Damit ist China weiterhin weltweiter Spitzenreiter, was die touristischen Ausgaben angeht. Dem UNWTO-Bericht „Tourism Towards 2030“ zufolge wird die Zahl der Auslandsreisenden im Jahr 2030 weltweit etwa 1,8 Milliarden erreichen. Der Anteil der aufstrebenden Wirtschaftsnationen am Weltmarkt dürfte bei 57 Prozent liegen. Allein Chinas Anteil soll den Schätzungen zufolge mehr als zehn Prozent ausmachen.
Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, im Rahmen der G20 dem Dienstleistungshandel, insbesondere im Bereich Tourismus, noch mehr Erleichterungen zu verschaffen. So haben China und die USA mittlerweile gegenseitig ein 10-Jahres-Visum für die mehrfache Einreise eingeführt. Angesichts solcher Erleichterungen ist zu erwarten, dass die Zahl der weltweiten Auslandstouristen bis 2030 die Prognose der UNWTO erheblich überschreiten wird. Damit dürfte die Tourismusbranche ein neuer Motor für die Entwicklung der Weltwirtschaft werden, wovon sowohl die Süd- als auch die Nord-Länder der G20 stark profitieren dürften. Es handelt sich also um eine wichtige Maßnahme von gegenseitigem Nutzen und zum gemeinsamen Gewinn. Darüber hinaus dürften in Zukunft unter anderem auch die „Industrie 4.0“, die Bereiche intelligente Fertigung, Roboter und Big Data, das „Internet Plus“ sowie das Cloud Computing zu neuen Motoren für das weltweite Wirtschaftswachstum reifen.
Infrastruktur aufbauen
Unterdessen zielt der Aspekt der größeren Vernetzung darauf ab, das Bewusstsein für die Interessen- und die Schicksalsgemeinschaft zu schärfen, gemeinsam die internationale Wirtschaftszusammenarbeit voranzutreiben und zu verstärken, gemeinsam Chancen zu ergreifen und die Kräfte aller Seiten effektiv zu bündeln. Die Infrastruktur der Nord-Länder ist über die Jahre allgemein gealtert und muss durch neue ersetzt werden, während die Infrastruktur der Süd-Länder noch immer unzureichend ausgebaut ist, was auch Engpässe bei der weltweiten Entwicklung verursacht.
Es ist abzusehen, dass der Aufbau der Infrastruktur weltweit in eine goldene Entwicklungsphase eintreten wird, was ebenfalls das Wachstum der Weltwirtschaft fördern dürfte. Auf Initiative der Weltbank wurde der Global Infrastruktur Fonds (GIF) ins Leben gerufen, dessen Ziel es ist, weltweit öffentlichen wie privaten Organisationen eine globale Kooperationsplattform zu bieten, über die Ressourcen und Informationen aus dem Bereich des infrastrukturellen Aufbaus der Schwellen- und Entwicklungsländer geordnet zur Verfügung gestellt werden. Vor diesem Hintergrund wurde auf Initiative Chinas auch die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank gegründet. Sie soll gewährleisten, dass der Infrastrukturaufbau der Länder entlang dem Wirtschaftsgürtel Seidenstraße sowie der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts in Zukunft noch enger vernetzt wird. Im chinesischen Volksmund heißt es: „Will man reich werden, muss man erst einmal Straßen bauen.“ “Will man also die Wirtschaft rasch weiterentwickeln, müssen zunächst Autobahnen her.“
Ein gutes Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Entwicklungsland Pakistan. Das200-Millionen-Einwohner-Landkann derzeit ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent verbuchen. Dank des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors und insbesondere, weil beide Länder mittlerweile Kooperations- und Investitionsabkommen im Wert von 46 Milliarden US-Dollar unterzeichnet haben, konnten in Pakistan die Bereiche Verkehr, Transport, Energie, Strom- und Kabelkommunikationsnetz beachtlich gefördert werden. Es ist zu erwarten, dass das jährliche Wachstum der pakistanischen Wirtschaft in absehbarer Zukunft sechs bis sieben Prozent erreichen wird.
Eine inklusive Entwicklung bedeutet, das Ziel zu verfolgen, die Unterschiede zwischen einzelnen Ländern zu verkleinern, den Blick verstärkt auch auf die Süd-Länder und generell alle Menschengruppen zu richten, damit die Früchte des Wachstums der Weltwirtschaft letztlich allen Völkern zuteil werden. Nehmen wir hierfür die Verkleinerung der digitalen Kluft als Beispiel: Das chinesische Unternehmen Huawei engagiert sich heute in mehr als 170 Ländern und Regionen und bietet seine Dienstleistungen mehr als einem Drittel der gesamten Weltbevölkerung an. Davon profitieren bisher die Einwohner der Süd-Länder am stärksten. Im September 2015 wurde auf dem Entwicklungsgipfel der UNO das Programm für nachhaltige Entwicklung bis 2030 verabschiedet. Es hat ein starkes Echo bei China gefunden. So wurde im 13. Fünfjahresplan verankert, dass der Umfang der Entwicklungshilfe vergrößert und die Weise der Entwicklungshilfe vervollkommnet werden sollen. „Wir sollen den Entwicklungsländern noch mehr Beratungs- und Ausbildungsleistungen in den Bereichen Personalressourcen, Entwicklungspläne und wirtschaftliche Politik zur Verfügung stellen“, heißt es in dem Strategiepapier weiter. Es gelte zudem, die Kooperation mit dem Ausland und die Entwicklungshilfe in den Bereichen Wissenschaft und Technik, Bildungswesen, medizinische Behandlung und Gesundheitsfürsorge, Katastrophenverhütung und -hilfe, Umwelt- und Artenschutz sowie bei der Armutsüberwindung zu erweitern und die humanitäre Unterstützung zu verstärken. 2015 betrug die Zahl ausländischer Studenten in China knapp 400.000. In den kommenden zehn Jahren dürfte sie sich Prognosen zufolge verdoppeln. China plant in diesem Zusammenhang vor allem seine Stipendien, die sich schwerpunktmäßig an die Süd-Länder richten, aufzustocken.
Für China bedeutet die erfolgreiche Ausrichtung des G20-Gipfels 2016 von der globalen Gesamtsituation ausgehend gezielt Innovationen anzustoßen, die Tagesordnung der Weltwirtschaft aktiv mitzugestalten und der Welt nützliche öffentliche Güter anzubieten, damit die globale Wirtschaft wieder stärker wachsen und auf das Gleis der innovationsgetragenen, nachhaltigen und gemeinsamen Entwicklung gebracht werden kann.
*Der Autor Hu Angang lehrt als Professor an der School of Public Policy & Management der Tsinghua-Universität und ist zugleich Direktor des Forschungsinstituts für die umfassenden Verhältnisse des Landes.