Kommentar
Hongkong nach der Übergabe: Neue Wege, alte Tradition Exklusiv
von Wolfgang Kuhn, Graz
Es war das Ende einer Ara: 1997 übergab Großbritannien die bisherige Kronkolonie Hongkong an China. 1.200 Porträts der Queen wurden abgehängt, royale Briefkästen abgeschraubt, der Union Jack endgültig eingeholt. Es war eine weitere Veränderung für eine Stadt, die Transformationen und Brüche gewohnt ist: Hongkong, eine Weltmetropole, eines der wichtigsten Handels-und Finanzzentren. Es waren eben jene Änderungen, welche die Stadt zu dem gemacht hat, was sie heute ist: Bis ins 19. Jahrhundert hinein war Hongkong ein kleines Fischerdorf, das vor allem von Schmugglern und Piraten als Unterschlupf genutzt wurde. Das Auftreten der Briten in China startete eine erstaunliche Entwicklung, die durch die Übergabe fortgesetzt wurde. Die Rückgabe an China und die Einrichtung der Sonderverwaltungszone hatte keinen negativen Einfluss auf die Wirtschaft in Hongkong. Die weitreichenden Autonomierechte, in diesem Fall ein autonomes Zoll-und Steuergebiet, ein autonomes Haushaltsrecht, sowie ein von China unabhängiges Wirtschafts-und Finanzwesen, sind bis 2047 völkerrechtlich festgesetzt.
Hongkongs offene und international ausgerichtete Wirtschaft verfügt über eine Auswahl und Qualität an wirtschaftlichen Dienstleistungen und Rechtsdiensten, die in der Region sonst unerreicht sind. Hongkonger Unternehmen haben zu dem Wachstum in den Boomregionen Asiens mit Kapital, logistischer Hilfe, neuen Qualitätsstandards und Managementerfahrung beigetragen. Der Hongkonger Finanzsektor verfügt über Repräsentanzen von drei Vierteln der 100 bedeutendsten Banken. Er assistiert multinationale Konzernen ebenso wie mittelständische Unternehmen bei Geschäftsabschlüssen in China und in der Asien-Pazifik Region. Dabei war der Weg zu dieser Entwicklung nicht automatisch vorgegeben: Im Jahre 1982 begannen unter der Premierministerin Margaret Thatcher die ersten Wiedereingliederungsverhandlungen, die zuerst nicht erfolgreich schienen. Erst die Entwicklung der Doktrin “Ein Land, zwei Systeme” öffnete den Weg Hongkongs zur Sonderverwaltungszone, über welche China die Kontrolle1997 übernahm.
Deng Xiaoping entwickelte diese Doktrin, die heute als „Ein Land, zwei Systeme“ bekannt ist. Sie öffnete den Weg zur Sino-British Joint Declaration, die am 19. Dezember 1984 zwischen der Volksrepublik China und dem Vereinigten Königreich unterzeichnet wurde. Sie sah vor, dass Hongkong am 1. Juli 1997 zu einer Sonderverwaltungszone Chinas (Special Administrative Region, SAR) werden würde. Hongkong ist heute eines der bedeutendsten Finanzzentren Asiens, es verfügt über eine der fortgeschrittensten Informations- und Telekommunikationsinfrastrukturen der Welt und hat sich auch die Reputation erworben, ein solides, gut überwachtes Bankensystem zu haben. Hierzu hat unter anderem die Asienkrise 1997 beigetragen, während der die Währungen der Nachbarländer stark abgewertet werden mussten. Hongkong hingegen überstand den Sturm relativ unversehrt, was vor allem auf die Qualität des Bankensystems zurückgeführt wird.