Kommentar
Hongkong nach der Übergabe: Neue Wege, alte Tradition Exklusiv
Um ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu erreichen, setzt die Regierung Hongkongs auf eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Festland Chinas. So wurde Mitte 2003 das Closer Economic Partnership Arrangement unterzeichnet, welches Unternehmern aus Hongkong einen bevorzugten Zutritt zu den chinesischen Märkten einräumt, die schrittweise auch für ausländische Firmen geöffnet werden.
Zu diesem Austausch zählt nicht zuletzt auch der Tourismus, eine wichtige Einnahmequelle mit zunehmender Bedeutung: Man bemüht sich besonders um Besucher aus dem Festland, deren Anzahl seit der Implementierung des Individual Visit Scheme (Mitte 2003) stark steigt. Diese Vereinbarung erlaubt festländischen Chinesen, individuell nach Hongkong zu reisen. Viele Touristen kommen zum Einkaufen nach Hongkong, sodass der Einzelhandel besonders davon profitiert. Auch bei den Deutschen ist Hongkong ein immer beliebteres Ziel, was sich in jährlich steigenden Besucherzahlen niederschlägt.
Es gab Jahre, da die Wirtschaft in der Region um die vier Prozent gewachsen ist - eine Größenordnung, die von den Hongkonger Wirtschaftsplanern noch immer als das Normale angesehen wird. Die Zeiten scheinen vorerst einmal vorbei zu sein. In den vergangenen Jahren ist der Zuwachs des Bruttoinlandproduktes kontinuierlich zurückgegangen: 2,8 Prozent waren es 2014, 2015 dann vier Zehntel Prozentpunkte weniger und im vergangenen Jahr „nur“ noch 1,9 Prozent. Ähnlich sieht es beim Warenumschlag aus, einem Rückgrat der Hongkonger Wirtschaft. 2015 ging das Handelsvolumen um drei Prozent zurück, im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent. Allerdings muss man berücksichtigen, dass diese Zahlen bereits von einem konkurrenzlos hohen Niveau ausgegangen sind. Vielleicht sind es ja gerade die Initiativen aus Beijing, die Hongkong neuen Schwung verleihen werden. So wird beispielsweise die Seidenstraßeninitiative als gute Chance für Hongkonger Unternehmen gesehen. In dieses Großprojekt könnte Hongkong jene Stärken einbringen, welche die Stadt groß gemacht haben. Dazu zählen Hilfestellungen in der Verwaltung oder Management Know-how für das entstehende Eisenbahnsystem. Hongkonger Erfahrungen sind gefragt, wenn es darum geht, entlang der Seidenstraße Standards zu setzen.
Erwähnt werden muss auch die mehr als 50 Kilometer lange Hongkong-Zhuhai-Macao-Brücke, welche die chinesischen Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao mit der Stadt Zhuhai in der Provinz Guangdong verbindet. Sie ist die weltweit längste Meeresbrücke und somit ein bedeutendes Infrastrukturprojekt. Mittlerweile werden mit der Entwicklung solcher Projekte verschiedene Städte wirtschaftlich in Zonen integriert, was natürlich auch für Hongkong gilt. Gemeinsamer Handel führt zu gemeinsamer Entwicklung. Kürzlich ist beispielsweise die Großbuchtzone Guangdong-Hongkong-Macao entstanden. Mehrere Großstädte und benachbarte Metropolen an der Mündung des Perlflusses werden darin integriert und die Wirtschaft gefördert.
Hongkong bleibt somit einer der wirtschaftlich dynamischsten Plätze in der Welt. Für die Zukunft reicht es aber nicht aus, nur auf alte Vorteile zu bauen. Hongkong und die Hongkonger müssen sich auch neu erfinden und neue Wege gehen, ohne Traditionen über Bord zu werfen.