Vor dem BRICS-Gipfel in Xiamen
Weitere Bemühungen zur vollen Entfaltung des Potentials der BRICS notwendig Exklusiv
Wang Xiaohui, Chefredakteur von China.org.cn
Von Wang Xiaohui, Beijing
Das BRICS Format besteht nun schon seit über zehn Jahren. Das Konzept, welches vor zehn Jahren von einem Ökonomen des amerikanischen Unternehmens Goldman Sachs präsentiert wurde, erfreute sich der unablässigen Förderung durch alle BRICS Staaten und wurde hierdurch ein gewichtiger, multilater Kooperationsmechanismus in der Welt. In der Weltpolitik, Weltwirtschaft, in Sicherheitsfragen und anderen Bereichen hat dieses Forum großen Einfluss gewonnen.
In den vergangenen zehn Jahren haben die BRICS Staaten viel erreicht; im Zeitraum von 2006 bis 2016 hat sich ihr Anteil an der Weltwirtschaft von 12 auf 23% erhöht, was fast einer Verdoppelung gleichkommt. Ihr Anteil an ausländischen Direktinvestitionen stieg von 7 auf 12% und ihr Beitrag zum weltweiten Wachstum betrug mehr als 50%. 2016 betrug das gesamte Handelsvolumen zwischen den BRICS Staaten beinahe 300 Milliarden US Dollar.
Seit einigen Jahren wurde in den westlichen Medien immer wieder vom „Abstieg der BRICS" gesprochen, doch tatsächlich hat diese einseitige Diskussion um die Beschaffenheit der BRICS, die auf Chinesisch auch als „Goldziegel" bezeichnet werden, keine praktische Bedeutung. Die BRICS sind schließlich nicht irgendwelche Goldbarren im Keller einer Bank, sondern ein multilateraler Kooperationsmechanismus, der sich aus fünf unabhängigen Volskwirtschaften zusammensetzt. Diese Staaten werden durch internationale und nationale Einflüsse, sowie durch die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit beeinträchtigt – in einem gewissen Rahmen sind Schwankungen und Fluktuationen also völlig normal. Worauf wir uns also mehr konzentrieren sollten, sind die tendenziellen Entwicklungen und das Potential der BRICS, sowie auch die anstehenden Herausforderungen der nächsten zehn Jahre.
Warum arbeiten die „Ziegel" zusammen?
Die Einrichtung des BRICS Formats entspricht einer objektiven Forderung nach einer neuen internationalen Ordnung. Nach dem Ende des Kalten Krieges nimmt die neue Weltordnung nun langsam Form an. Dies ist ein langsamer und komplizierter Prozess, der reich an Machtspielen und Überraschungen ist. Kurz gesagt ist die von den USA, Japan und den westlichen Staaten gewünschte neue Weltordnung eine bloße Reform, Stärkung und Ausdehnung der alten Ordnung. Es geht darum, zwar auf der Höhe der Zeit zu sein, gleichzeitig jedoch die eigene führende Rolle in der Welt zu sichern. China als Repräsentant der Entwicklungsländer hingegen hofft darauf, mehr in den internationalen Beziehungen zu sagen zu haben, dadurch das Schicksal von Nation und Volk in die eigenen Hände zu nehmen und eine gerechtere, neue Weltordndung aufzubauen, die auf den Werten des gegenseitigen Profitierens, Lernens und Vertrauens basiert.
China, Indien, Russland, Brasilien und Südafrika stellen 42,88% der Weltbevölkerung, sie verteilen sich mit Europa, Asien, Amerika und Afrika auf vier verschiedene Kontinente und gehören zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in der Welt. Diese Länder verkörpern nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Zivilisationen, sondern weisen auch eine hohe wirtschaftliche Dynamik auf.
Wirtschaftswachstum und einen steigenden Einfluss in der Welt haben dazu geführt, dass diese fünf Länder gemeinsame Forderungen aufgestellt haben. Dazu gehören ein größeres Mitspracherecht in den internationalen Beziehungen und Entwicklungsfreiräume, was wiederum die Überwindung alter Ordnungen und den Aufbau eines neuen internationalen Gefüges erfordert. Es sind genau diese gemeinsamen Forderungen und Entwicklungsbedürfnisse, welche jene fünf Länder aus unterschiedlichen Weltregionen mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen und wirtschaftlichen Entwicklungsmodellen zusammenmarschieren und dadurch das multilaterale Kooperationsformat der BRICS entstehen lassen.
Wie steht es um die BRICS?
Seit der Gründung des BRICS Mechanismus sind bereits zehn Jahre vergangen. Als Vertreter der „Emerging Economies" und Entwicklungsländer sind China, Russland, Brasilien, Indien und Südafrika bis heute gemeinsam durch Höhen und Tiefen bis in das 11. Jahr dieser Zusammenarbeit geschritten. Im Hinblick auf ihre Ausstattung mit Ressourcen und ihre Entwicklungsmodelle, haben die BRICS Länder alle ihre eigenen Charakteristika und große Wachstumspotentiale. Außer Südafrika haben alle BRICS Staaten eine sehr große Bevölkerung, China und Indien etwa jeweils 1,37 und 1,3 Milliarden Menschen (2015), was sie weltweit zur Nummer eins, bzw. Nummer zwei macht. Die fünf Staaten sind auch alle reich an Ressourcen und wachsen ebenfalls in ihren wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten. Russland ist bereits seit Langem eine Großmacht, im Bereich von Wissenschaft und Forschung profitiert es immer noch vom Erbe der Sowjetunion, sowie von innovativen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit. China und Indien sind in der Raumfahrt, Maschinenbau, Computertechnologie, Medizin und anderen Bereichen bereits heute weltweit führend. Brasiliens Stahl- und Flugzeugindustrie verfügt ebenfalls über starke Kapazitäten.
Die BRICS Staaten befinden sich in Asien, Europa, Amerika und Afrika. China blickt auf die Geschichte seiner seit 5000 Jahren ununterbrochenen Zivilisation zurück, Indien hat mit dem Hinduismus und dem Buddhismus zwei große Weltreligionen hervorgebracht, Russland umspannt den eurasischen Kontinent und verbindet die östliche mit der westlichen Zivilisation, Südafrika und Brasilien verfügen über vielfältige, multikulturelle Gesellschaften; diese fünf Länder sind das beste Beispiel für die Vermischung der Kulturen und dem gegenseitigen Lernen der Zivilisationen.
Doch selbstverständlich sehen sich die fünf und die BRICS als Ganzes auch mit großen Herausforderungen konfrontiert. In unserer heutigen Welt geht das Wirtschaftswachstum langsam zurück, der Abwärtstrend nimmt zu, der Handelsprotektionismus gewinnt an Terrain, die Kritik an der Globalisierung wächst, regionale Konflikte breiten sich aus und es ereignen sich unablässig neue terroristische Attentate. All diese Umstände sind nicht gut für die BRICS Staaten und das BRICS Format.
Während der letzten Jahren hat das Wachstum der BRICS Länder ebenfalls unterschiedliche Tendenzen gezeigt: während China und Indien ihr Hochgeschwindigkeitswachstum fortführen konnten, sind Russland, Brasilien und Südafrika wegen sinkender Öl- und Rohstoffpreise, politischer Instabilität, gesellschaftlichen Konflikten und einer Vielzahl anderer Gründe in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die westlichen Nationen nutzen die kulturellen und ideologischen Unterschiede zwischen den BRICS Staaten aus, um Konflikte zwischen diesen zu schüren und betiteln China und Russland etwa als „autoritäre Staaten", Indien und die anderen jedoch als „Demokratien". Die Vereinigten Staaten und Japan unterstützen ganz unverblümt Indien, um dadurch Chinas Einfluss auszubalancieren. Auch innerhalb der BRICS bestehen etwa auf strategischer Ebene nicht unbeträchtliche Unterschiede: so verfolgt China seine „Ein-Gürtel-Eine-Straße" Initiative, Indien sein „Monsun Programm", Russland führt die „Eurasische Wirtschaftsunion" an, während Brasilien und Südafrika an ihren jeweils eigenen, regionalen Wirtschaftsintegrationsprojekten arbeiten. Im Juni 2017 drang Indien wegen „Sicherheitsbedenken" in chinesisches Territorium ein, um Bauarbeiten auf chinesischer Seite zu stoppen und löste damit einen Zusammenstoß an der Grenze aus. Diese Aktion Indiens belastet das indisch-chinesische Verhältnis schwer und wirft dunkle Schatten auf die Treffen der Staatsführer und die zukünftige Zusammenarbeit.