Der 19. Parteitag der KP Chinas
Ein historischer Meilenstein hin zu einem globalen China Exklusiv
Bei seinen Ausführungen zu den vergangen fünf Jahren streifte Xi eine Vielzahl an Themen, Erfolgen und Problemen: so sei China z.B. während seiner Amtszeit zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen, über 1500 Reformmaßnahmen wurde verabschiedet. Der Ausbau der Infrastruktur schritt ebenso wie die Urbanisierung des Landes und die Modernisierung des Militärs voran. Ebenso rühmte sich Xi mit dem Ausbau der Parteiherrschaft und ihrer Kontrolle über die Gesellschaft, doch auch parteiinterne Disziplinierung und Korruptionsbekämpfung gehörten zum Markenkern seiner Politik. Die Liste der von China in den vergangenen fünf Jahre begründeten internationalen Projekten und organisierten Spitzentreffen steht emblematisch für Chinas wachsendes Bestreben, sich auf dem internationalen Parkett einzubringen. Ob „Belt and Road“-Initiative, Asiatische Infrastrukturinvestmentbank, Seidenstraßen-Fonds, G20 Gipfel und BRICS Gipfel – China steht zunehmend im Mittelpunkt des Weltgeschehens, beginnt dieses auch durch erste, eigene Initiativen, mitzugestalten und spricht vom Ideal einer „menschlichen Schicksalsgemeinschaft“.
Zu dieser neuen Weltgewandheit gehört die Anmerkung Xis, dass China auch als Modell für andere Entwicklungsländer dienen kann. Vor dem Hintergrund, dass es Entwicklungsrezepte einer ganzen Reihe dieser Länder, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, seit der Erlangung ihrer Unabhängigkeit vor mehr als einem halben Jahrhundert nicht ermöglicht haben, den Fängen der Armut zu entfliehen, erscheint die Suche nach alternativen Wegen umso dringlicher und berechtigter. Der Weg, den China seit Ende der 1970er beschritten hat - grob gesagt eine Vermischung aus starker staatlicher Lenkung der Wirtschaft, dem Markt als Instrument statt als Selbstzweck und experimenteller, lokaler Gesetzgebung – hat es durch seinen Erfolg verdient, in der globalen Debatte ernst genommen zu werden.
Welche Schlüsse lassen sich für Deutschland und Europa nun aus dieser Rede ziehen? Was seine Sicht auf Chinas Rolle im Welthandel betrifft, wiederholte Xi sein Plädoyer für den Freihandel, wie er es bereits im Januar dieses Jahres auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum gehalten hat. Zwar bestehen auch Uneinigkeiten zwischen China und der Europäischen Union auf diesem Feld fort – die Chinesen kritisieren Europas neue Anti-Dumping Regeln während die Europäer den nach wie vor eingeschränkten Zugang zum chinesischen Markt bemängeln – doch im Vergleich zum zunehmend isolationistischen Kurs der Vereinigten Staaten ist man sich wenigstens über die Entwicklungsrichtung der Handelsbeziehungen einig.
Zweitens wird China höchstwahrscheinlich ein wirtschaftlicher Stabilitätsfaktor bleiben. Xis Ankündigung, das Banken- und Finanzgewerbe strenger überwachen zu wollen, ist ein beruhigendes Zeichen aus Beijing.
Dieser Auftakt zum 19. Parteitag der KP Chinas hat noch einmal verdeutlicht, welche historische Transformation sich in China gerade vollzieht, vor allem im Hinblick auf seine Beziehungen mit dem Rest der Welt. China hat bereits begonnen, sich mehr einzubringen, eigene Initiativen zu starten und seine Standpunkte deutlicher zu vertreten. Trotz aller ideologischen und politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Beijing, Deutschland und Europa ist diese neue Weltgewandheit Chinas eine Chance. Sie muss aber durch steten Dialog auch ergriffen werden. Eine einseitige Fokussierung auf die durch den Parteitag entstehenden Verschiebungen im Machtgefüge der KP Chinas wie sie in vielen ausländischen Medien praktiziert wird, greift daher zu kurz und steht einer tiefer gehenden, inhaltlichen Analyse dieses Parteitages sowie einem ernsthaften Dialog im Weg. Jener ist aber in dieser „neuen Ära“ unabdingbar. Schließlich sind alle Seiten Teil der „menschlichen Schicksalsgemeinschaft“.