Wer zur Wehr?

Diskussion über Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland Exklusiv

27.08.2018

von Ole Engelhardt, Beijing


2011 wurde die Wehrpflicht und damit auch der verpflichtende Ersatz-Zivildienst in Deutschland nach jahrelangen Diskussionen abgeschafft. Für soziale Tätigkeiten konnten Freiwillige sich im neu geschaffenen Bundesfreiwilligendienst engagieren. Nun haben einige Politiker eine Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder ein verpflichtendes Dienstjahr als Alternative eröffnet. 


Unter Verteidigungsminister zu Guttenberg wurde die Wehrpflicht 2011 abgeschafft. (dpa)

 

„Wir nehmen mit der Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes Abschied von der Verpflichtung zum Grundwehrdienst.“ Als der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Anfang 2011 im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr das Ende der seit 1956 bestehenden Wehrpflicht in Deutschland verkündete, war dies eine seiner letzten Handlungen, bevor er endgültig über seine Plagiatsaffäre stolperte. Im März musste er zurücktreten, vier Monate später trat seine letzte Amtshandlung am 1. Juli 2011 in Kraft: die Bundeswehr ist seitdem eine Freiwilligenarmee, die im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um junge Talente kämpft. Damit wurde eine Diskussion beendet, die schon zuvor bereits mehrfach eröffnet worden war, jedoch soweit ohne Ergebnis. Das war im Sommer 2011 anders. „Die Verpflichtung zum Grundwehrdienst ist heute sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar“, erklärte zu Guttenberg in seiner Bundestagsrede zu der Entscheidung.  Da es sich bei der Bundeswehr seit dem Kosovo-Krieg Ende der 1990er Jahre um eine „Armee im Einsatz“ handele, müsse die Bundeswehr professioneller aufgestellt sein, wozu eine Freiwilligenarmee nach Expertenmeinungen besser fähig sei. Sieben Jahre später wird nun im Sommer 2018 aber wieder eine Rolle rückwärts gefordert. Was sind die Gründe?

 

Zurück, alles wie gehabt oder Mischung?


In den letzten Wochen und Monaten werden vor allem aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion Stimmen lauter, die eine Rückkehr zur Wehrpflicht fordern. Einige Umfragen wie zum Beispiel vom Institut Civey im Auftrag der Funke-Mediengruppe ergaben ebenfalls eine leichte Mehrheit (55,6 Prozent) für die Wiedereinführung.


Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg sagte gegenüber der FAZ: „Wir brauchen die Wehrpflicht, und sie soll für Männer und Frauen gelten." Für überzeugte Pazifisten oder andere Wehrpflichtverweigerer stellte er die Möglichkeit in den Raum, das verpflichtende Dienstjahr auch anderswo ableisten zu können. Der Aspekt des verpflichtenden Dienstes ist es, was diese Forderung von der aktuellen Situation unterscheidet. Denn es ist nicht so, dass Deutschland derzeit keine Möglichkeiten zum Dienst für das Allgemeinwohl bietet. Als direkte Antwort auf die Abschaffung der Wehrpflicht wurde noch 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD) gegründet. Hier engagieren sich Frauen und Männer gemäß Paragraph 1 des BFD-Gesetzes für das Allgemeinwohl, insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich sowie im Bereich des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes. Dieser ist in den ersten Jahren äußerst erfolgreich angelaufen und wurde von der damaligen Familienministerin Kristina Schröder als „gesellschaftspolitische Sensation“ gefeiert, bevor die Zahlen in den letzten Jahren rapide sanken. Schlechte Bezahlung, wenig anspruchsvolle Stellen und fehlendes Ansehen werden meist als wichtigste Gründe für den nun ausbleibenden Erfolg genannt. Und überdies halten Sensburg und Co. angesichts der wieder sehr unsicheren Weltlage die Wehrpflicht für „die Verteidigung des eigenen Landes" für unabdingbar.


Angestoßen wurde die aktuelle Debatte hauptsächlich von der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, die der FAZ sagte, sie rechne zwar nicht mit einer einfachen Rückkehr zur Wehrpflicht, wolle aber über eine „allgemeine Dienstpflicht" reden. Über weitere Details, wie dieser aussehen könnte, wurde bisher wenig gesagt.


Von der Opposition kommt dagegen größtenteils Abneigung gegen ein Wiederaufleben des Dienstes. So bezeichnete die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, eine Wiedereinführung der Wehrpflicht als „absurd", während der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion Jan Korte von einem „Zurück ins letzte Jahrhundert" sprach. Ein „Zwangsdienst, wie gemeinnützig auch immer“ sei seiner Meinung nach mit einer freien Gesellschaft nicht vereinbar. FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg findet, dass man einen Dienst für die Gesellschaft über das ganze Leben hinweg leisten könne, weshalb die Fixierung auf ein Jahr sinnlos wäre. Aus der SPD sind verschiedene Stimmen zu vernehmen. Der Wehrbeauftragte des Bundestags und ehemalige SPD-Abgeordnete, Hans-Peter Bartels, zeigte sich skeptisch: „Eine allgemeine Dienstpflicht ist zwar eine sympathische Idee, stößt aber verfassungsrechtlich an eine Grenze. Es gilt das Verbot der Zwangsarbeit." Fritz Felgentreu, Obmann der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss, ist dagegen offener: „Wir müssen eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, ob wir auf dem heutigen Weg, die Bundeswehr möglichst attraktiv zu machen, tatsächlich die Personalzahlen erreichen, die wir für die Lands- und Bündnisverteidigung brauchen.“


Auch aus den eigenen Reihen finden die vagen Pläne bisher nicht nur Zustimmung: „Eine allgemeine Wehrpflicht alten Zuschnitts hilft uns bei den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht weiter", ließ zum Beispiel der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion Henning Otte (CDU) verlauten. Einer allgemeinen Dienstpflicht stehe er jedoch weniger skeptisch gegenüber.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Wehrdienste,Wehrpflicht,Deutschland,Disskussion