Chinas Neue Seidenstraße

Eine Globalisierung und eine Sache des Vertrauens Exklusiv

18.09.2018

Von Ole Döring, Berlin


Chinas „Neue Seidenstraße“ ist eine Initiative für die Zukunft. China lädt die Welt zu einer ganz neuen Art der Zusammenarbeit ein. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Aber jeder versteht, dass es um die kommenden Generationen geht, um unser aller Kinder. Wir wissen auch, dass die Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann und erarbeitet werden muss. Dafür brauchen wir Zeit und Vertrauen. Besonders Vertrauen, um keine Zeit zu verlieren - und Zeit, um Vertrauen zu gewinnen. Wie schaffen wir das? 

Erster Frachtzug fuhr am 14. August 2014 von Deutschland nach Chongqing, China ab.

Aller Anfang ist schwer. Aber, wie der Dichter Herrmann Hesse wusste: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Hesse schrieb das Gedicht „Stufen“ im Jahre 1941, inmitten der Grauen des Zweiten Weltkrieges und mahnte: „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“. Dieser bei allem Realismus heitere Entschluss, ein gutes Leben zu ermöglichen, könnte den Grundton der Debatten zur Gestaltung einer humanen Globalisierung angeben. 


Wenn alle eingeladen sind, zusammenzuarbeiten, kann die Menschheit eine Arbeitsteilung schaffen, wie es sie noch nie gegeben hat. Wir müssen nicht mehr enorme Ressourcen vorhalten, um uns vor einander zu schützen und Misstrauen auszubauen. Denn die Verfassung einer solchen Welt ist dem Fortschritt von Gerechtigkeit und Frieden gewidmet. Im Zentrum steht dann, die Chancen der Vielfalt optimal zu nutzen, in den natürlich verbundenen Regionen des Dreiecks Europa-Asien-Afrika. Gerecht ist die Welt, wenn jeder Mensch sich nach seinen Fähigkeiten in einem gesunden Leben entwickeln kann. Solche Aussichten müsste eigentlich enorme Kräfte freisetzen: überalternde Gesellschaften einerseits und allzu junge andererseits; erfahrene Sozial- und Wirtschaftssysteme hier und Gesellschaften im Aufbau dort; gesunde und solidarische Gemeinschaften hüben und Völker, die Heilung brauchen drüben. Hier gibt es keine nur Starken oder Schwachen, bloß Menschen, die durch Bildung und Gesundheit in Frieden eine würdige Lebenswelt einrichten. 


So könnte es sein. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Zwischen Europa und China, den beiden geborenen Partnern in diesem Prozess, klaffen Gräben der Sprachlosigkeit. Wir haben nach fünf Jahren noch immer nicht angefangen, im Ernst an die Zusammenarbeit zu gehen. Dabei spielt unterentwickeltes Vertrauen eine wichtige Rolle. Missverständnisse, ungeschickte Kommunikation und emotionalisierte Erwartungen stehen einem vernünftigen Plan im Weg. 


Chinas Initiative mit dem Namen „Ein Gürtel - ein Weg“ sehen viele Europäer als Herausforderung. Im Deutschen versteht man unter einem „Gürtel“ zwar etwas das Verbindung stiftet, vor allem aber eine Vorrichtung, die Enge und Beklemmung schafft. Den Gürtel enger schnallen, bedeutet für viele einem Mangel zu begegnen. Im Krieg fehlte es an Essen, da galt es als Pflicht, die Not zu überleben. Deutschland gelang danach sein „Wirtschaftswunder“, auch, weil viele Menschen eine Tugend aus dem Verzicht auf Konsum machten und für die Zukunft sorgten; seitdem hat sich der Klang ins Zynische gewendet. Die wachsenden Schichten der Verlierer im Wohlstand erfahren, dass sie den Gürtel enger schnallen müssen, damit die Privilegierten ihn für ihr egoistisches Streben nach Reichtum öffnen können. Der Gürtel steht bei vielen nicht mehr für Zusammenhalt und Vernunft sondern für eine durchsichtige und unglaubwürdige Propaganda. Für Weite und neue Möglichkeiten steht er nicht. 


Oft wird beklagt, der Gürtel sei voller Löcher. Hier liegt ein weiteres Missverständnis, denn es handelt sich ja um ein Netz, das gerade geknüpft wird. Die Ansätze zu einem weltumspannenden Gewebe zeichnen sich ab, die chinesischen Spuren sind in Afrika weitaus deutlicher zu sehen als anderswo. Sie sind dabei, die wenig überzeugenden Aufführung europäischer Entwicklungshilfe zu überlagern. Aber vieles fehlt. Europas Wiedergutmachung könnte darin bestehen, China sowohl in Afrika als auch in Zentralasien zu unterstützen, als Partner einer Politik des Aufbaus nachhaltiger Sozialwirtschaft. Es sollte selbstverständlich sein, dafür den Gürtel im Westen etwas enger zu schnallen. 


Ähnlich verhält es sich mit dem Weg: bei „einem Weg“ denkt man im Deutschen oft zuerst an eine möglichst direkte Verbindung zwischen A und B. Für Einweg-Verpackungen oder Einbahnstraßen sind Entscheidungen von Politikern und Bürokraten verantwortlich, denen man nicht immer traut und deren Sinn in Frage gestellt wird. Verstanden wird, dass es genau „einen“ geben soll. Das ist ganz anders als im Chinesischen Dao: dem Weg, der sich erst zeigt, indem man ihn geht. Was uns als alternativlos gilt, lädt nicht zum Mitdenken und Zusammenarbeiten ein. Wir kommen aber viel weiter, wenn wir den Weg den Gegebenheiten anpassen und mit Achtung und Bedacht vorgehen. 

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Seidenstraße,Globalisierung,Afrika,Eurasien,Weltordnung