China konsolidiert seinen Kurs der Selbststärkung Exklusiv

06.03.2019

von Ole Döring, Berlin

Am 5. März ist die zweite Tagung des 13. Nationalen Volkskongresses (NVK) von China in Beijing eröffnet worden. Der von Ministerpräsident Li Keqiang vorgelegte Tätigkeitsbericht der Regierung zeigt, daß China nach 40 Jahren Reform ein wichtiges Etappenziel erreicht hat. Die Volksrepublik hat die Kraft und die Fähigkeiten entwickelt, sich als eigenständiger Partner auf Augenhöhe gestaltend zu verhalten. Dazu gehört die Bereitschaft, fortlaufend aus Fehlern zu lernen, um die Grundlagen dieser Stärke zu verstetigen. Die Chancen einer auf die gemeinsame Zukunft  gerichteten Zusammenarbeit sollte Europa konstruktiv aufnehmen.

Ministerpräsident Li Keqiang legte auf der Eröffnung der zweiten Tagung des 13 NVK einen Tätigkeitsbericht der Regierung vor. 


Mit der Ankündigung, Steuern und Gebühren deutlich zu senken, sendet die chinesische Regierung unter dem Regierungschef Li ein Signal des Selbstbewusstseins, der Stärke und der Verantwortung. Versprochen werden Erleichterungen im Umfang von zwei Billionen Yuan (263 Milliarden Euro). Entscheidend für den Erfolg dieser Botschaft ist, wie die Maßnahmen in den Gesamtzusammenhang der politischen Entwicklung eingebettet sind. Offensichtlich wirbt die Regierung durch ein umfassendes Bündel von abgestimmten Vorhaben um Vertrauen.
In der Steuerpolitik geht es darum, die Verteilung von Erträgen der Wertschöpfung angemessen zu gestalten. Gebühren dienen dem Unterhalt der Verwaltung und der Infrastrukturen, die das reibungslose Arbeiten aller Akteure für die Wertschöpfung gewährleisten sollen. Aus beiden Quellen speist sich also der materielle Handlungsrahmen für die Legislaturperiode, in der China anspruchsvolle Ziele verfolgt, darunter die Verwirklichung von Stabilität und Entwicklung.
Wenn die nun verkündeten Schritte umgesetzt werden, sind neue Impulse zu erwarten: die allgemeine Kaufkraft steigt, besonders durch die Senkung der Mehrwertsteuer. Dadurch steht mehr Geld für Konsum und Investitionen zur Verfügung. Das stimuliert den gesamten Wirtschaftskreislauf; von der einheimischen Produktion bis zur Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen werden die Märkte belebt und normalisiert.
Ebenso bedeutend wie die materielle Reifung ist das Bemühen um Vertrauen. Die Verbesserung der Effektivität und Effizienz der Abläufe der eigenen Realwirtschaft greift Anregungen aus dem Konsultationsprozess auf, der dem Volkskongress vorangegangen ist. Die maßvoll und entschlossen steuernde Hand angesichts einer unruhigen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Lage und eigenen Problemen beim Umweltschutz und im Arbeitsmarkt zeugt von Souveränität. Der Wille zu lernen und die Bereitschaft zu Korrekturen und Anpassungen erwecken den Eindruck von Kompetenz. Auch aus Sicht der exportorientierten deutschen Wirtschaft ebenso wie im Interesse deutscher Kunden an Qualitätssicherheit von Produkten aus China sind das gute Nachrichten.
Durch die Lockerung der Belastungen der Wertschöpfung entstehen Spielräume für Neuorientierungen, für Neuordnungen und neue Optionen – um die zielführende Entwicklung des Landes abzusichern.


Die zweite große Zahl dieses Berichts ist die des angestrebten Bruttosozialproduktes, das zwischen 6 und 6,5 Prozent liegen soll. Für die Beurteilung dieser Größe kommt es nicht so sehr auf deren absoluten Wert an, sondern darauf, ihn richtig auf die Entwicklung der vergangenen vier Jahrzehnte zu beziehen. So hat das Deutsche Institut für Wachstumsstudien (IWS) bereits 2007 beklagt: „Die allgemeine Annahme, Volkswirtschaften könnten typischerweise exponentiell wachsen, führt in vielen Fällen zu grundlegend falschen Erwartungen und fundamentalen ‘Rechenfehlern’”. Wenn man derartige Fehler vermeidet, stellt sich mit Blick auf die Qualität der Wirtschaftsleistung sogar Chinas nominell etwas verringertes lineares Wachstum als überaus kraftvoll dar, jedenfalls solange die Inflation nicht deutlich über die veranschlagten 3 Prozent hinaus geht. Diese Einschätzung wird weiter durch den Abgleich des nur leicht ansteigenden Haushaltsdefizits (von 2,6 Prozent auf 2,8 Prozent) mit der Zunahme staatlicher Investitionen um immerhin 6,5 Prozent unterstützt. Vertraut man den Zeichen der Kompetenz eines hoch professionellen Apparates von Fachleuten, der hinter diesen Zahlen steckt, dann erscheint die Hoffnung begründet, Chinas proaktive Haushaltspolitik könne im Jahr 2019 sowohl zu einer Stärkung der Leistung als auch zu größerer Effektivität führen - also zu weniger Reibungsverlusten durch Verschwendung und Verwaltungsfehler.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Tätigkeitsbericht,Steuern,Haushaltspolitik,Modernisierung