China konsolidiert seinen Kurs der Selbststärkung Exklusiv
Anders gesagt: China hat die Phase nachholender Modernisierung hinter sich gelassen und in vielen Bereichen bereits eine Konsolidierung erreicht. In einigen besonders wichtigen Technologiefeldern ist die Volksrepublik sogar bereits zu einem internationalen Taktgeber geworden. Diese Dynamik kann besonders den Bereichen zugutekommen, die weiterhin rückständig sind, wirtschaftlich, organisatorisch und gesellschaftlich. Dazu wird es auf entsprechende Wertschöpfung ebenso ankommen wie auf kluge und gerechte Verteilung und Teilhabe.
Insofern verheißt das chinesische Jahr des Schweines tatsächlich etwas „Entscheidendes“: Nicht weil es von großen Worten sondern von vielen kleinen Taten bestimmt wird, die zusammen in eine wünschenswerte Richtung weisen. Das alles liegt im Trend der Ausgestaltung der Arbeitsteilung zwischen Regierung und privaten oder gesellschaftlichen Wirtschaftsakteuren, unter dem Vorzeichen einer staatlich strukturierten, sozial verpflichteten Marktwirtschaft.
Dieser Kurs macht sich bereits in vielen Ansätzen einer neuen Politik gesellschaftlicher Verantwortung bemerkbar. Umwelt, Klima, Gesundheit usw. erschöpfen sich nicht in den eindrucksvollen Kennzahlen der Schadstoffverringerung, sondern zeigen sich in den Investitionen in intelligente innovative Entwicklung und Nutzung modernster Technologie. Enorme Baustellen werden nun für den Kreis der immer gesünder und älter werdenden Bevölkerung erschlossen. Hier kommen zu den finanziellen und technischen Herausforderungen und Anforderungen an die Qualifikation von Arbeitskräften notwendige grundlegende gesellschaftliche Entwicklungen hinzu. Das betrifft besonders eine neue Kultur der Solidarität, die über kommunale Strukturen hinaus geht und immaterielle Voraussetzungen für die nachhaltige volkswirtschaftliche Wertschöpfung stärken kann.
In diesen Aufgaben liegt ein weites Feld der noch nicht erschöpften Möglichkeiten einer Zusammenarbeit Chinas mit Deutschland. Hier sind sowohl die bilateralen (einschließlich der europäisch-chinesischen) Beziehungen wie die neue Rolle der USA zu berücksichtigen. In den letzten Jahrzehnten hat China vor allem intensiv von den USA gelernt, sich technisch und materiell auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu entwickeln, jetzt hat es die Möglichkeit, seine Sozial- und Kulturbildung auszubauen. Genau in diesen Bereichen verfügt Westeuropa über tiefe Erfahrungen mit unterschiedlichsten Modellen und reiches Wissen über nachhaltige Wertschöpfung, in mittelständischen Privatunternehmen, in der Allgemein- und Berufsbildung, in der solidarischen Organisation sozialer Aufgaben. Nicht nur Europa und Deutschland sind sich darüber im Klaren, dass sie sich nicht „vorbehaltlos“ auf die USA verlassen können, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel vor kurzem bemerkte. Auch China kann nur gewinnen, wenn es die Anstrengungen und die Geduld aufbringt, den subtilen und differenzierten Quellen des kulturellen Reichtums in Europa genauer nachzugehen und noch aktiver nach Wegen der umfassenden Zusammenarbeit zu suchen.
In diesem Zusammenhang ist es ermutigend, von Ministerpräsident Li Keqiang Signale der Öffnung und Vertrauensbildung gegenüber internationalen Unternehmen zu erhalten. Besonders das Interesse an Rechtssicherheit weist weit über Geschäfte und Kapitalverkehr hinaus. Im In- und Ausland hängen erfolgreiche Unternehmen von nachhaltigen Rahmenbedingungen ab: von Planungssicherheit und gesellschaftlicher Stabilität.
Der Autor ist habilitierter Philosoph und Sinologe. Er lebt und arbeitet zwischen Berlin und Hongkong. Zuletzt hat er die Bildungseinrichtung „Europäisches Zentrum für chinesisches Denken“ mitbegründet: https://chinadenken.de/