Neuer Reichtum
Mit Erfahrung aus Armutsbekämpfung baut China soziale Stabilität auf Exklusiv
Ole Döring, Berlin
Bei den diesjährigen „Zwei Tagungen“ Chinas war Armutsbekämpfung wieder ein Highlight. Dass China in den letzten Jahren Millionen Menschen aus der Armut geholfen hat, soll nicht als rein materieller Erfolg verstanden werden, sondern eher als Erfahrung, die sich unter anderem auch Deutschland zunutze machen kann. Ein Kommentar von Ole Döring.
Arbeiter ernten schwarze Pilze in Yichun, Heilongjiang.
In Beijing sind die jährlichen „Zwei Tagungen“ heute zu Ende gegangen – ein politisches Ereignis in China. Dabei diskutieren der oberster Gesetzgeber, der chinesische Nationale Volkskongress (NVK), und das politische Beratungsgremium, das Landeskomitee der Politischen Konsultativen Konferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV), gründlich über jede einzelne Vorlage, darunter das Thema „Armutsbekämpfung“. Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat bei einer Paneldiskussion mit Abgeordneten der Provinz Gansu des NVK die Entschlossenheit bekräftigt, Armut wie geplant zu beseitigen. Xi sagte, man dürfe weder unrealistisch hohe noch zu niedrige Ziele für die Armenhilfe setzen. Dafür müsse man sich auf die Beseitigung der absoluten Armut konzentrieren.
Auf einer Pressekonferenz des Büros für Armutsbekämpfung beim chinesischen Staatsrat präsentiert dessen Leiter, Liu Yongfu, eine stolze Bilanz. In den 40 Jahren nach 1978 sei der Anteil extrem armer Menschen in der Landbevölkerung von 97,5 Prozent auf etwa drei Prozent gefallen. Heute liege sie im Landesmittel unter einem Prozent. Damit werden die Reformen vierfach unterstützt: die Wertschöpfung wird auf immer mehr Schultern verteilt, die Ausgaben des Staates können stärker investiv genutzt werden, die Aussichten für nachhaltigen inneren Frieden steigen und China gewinnt international an Ansehen und Handlungsfähigkeit.
Chinas Regierung macht deutlich, dass sie neben Investitionen vor allem strukturelle Maßnahmen der eigenen Systemreform vorantreibt. Dazu gehört, die insgesamt erfolgreich laufenden Reformen besser zu koordinieren, noch aktiver zu steuern und die Effizienz der eingeleiteten Maßnahmen zu steigern. China wird auf der Grundlage seiner wirtschaftlichen Konsolidierung immer freier, seine soziale Sicherung auszugestalten, um damit den Anteil interventionistischer Hilfsmaßnahmen noch weiter zu reduzieren und die systematische Vorbeugung von Armutsursachen fortzuschreiben.
In diesem Sinne wird nun ein neues Gesundheitsgesetz vorgelegt, durch das der Staat sich selbst verpflichtet, ein Recht auf gesundheitliche Grundversorgung zu gewährleisten. Damit wird es der Bevölkerung leichter gemacht, eine der wichtigsten Armutsursachen zu vermeiden: den Familienbankrott aufgrund von Krankheitskosten. Auch auf dem Gebiet der Governance werden Neuerungen eingeführt, die von einer weiteren Stabilisierung des Systems zeugen: Der NVK soll eine neue Aufsichtsfunktion übernehmen und die Durchsetzung von Gesetzen kontrollieren, aus eigener Macht Nachforschungen anstellen und Sonderuntersuchungen durchführen können. Das betrifft besonders diejenigen Bereiche, in denen der rasche Aufschwung Verlierer hinterlassen hat.
Eine Gesetzesinitiative „zur Neubelebung des ländlichen Raumes“ wurde von Chen Xiwen vorgestellt, einem Abgeordneten des NVK für ländliche Angelegenheiten. Es sei allgemein bekannt, dass ländliche Gebiete unter Industrialisierung und Urbanisierung der letzten Jahrzehnte besonders gelitten haben, erklärt Chen. Dem werde mit dem Prioritätsstatus der Entwicklung der ländlichen Gebiete Chinas in diesem Gesetz entgegen gesteuert.