Neuer Reichtum

Mit Erfahrung aus Armutsbekämpfung baut China soziale Stabilität auf Exklusiv

15.03.2019

Weltweit ist von einem „chinesischen Wirtschaftswunder“ die Rede. Unter anderem in deutschen, russischen, britischen oder kirchlichen Leitmedien und Agenturen wird anerkannt, dass Chinas Erfolge in der Armutsbekämpfung auf vielfältige Weise der gesamten Welt zugute kommen. Gesicherte Statistiken untermauern diesen Trend. Die Weltbank bestätigt, dass die „extreme Armut“ in China auf weniger als ein Prozent der Bevölkerung gesunken ist. 
Zugleich setzen sich Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, darunter das internationale „Humana - People to People“, weiter mit Hilfsprojekten für die Bewältigung bestimmter Notlagen ein. Dabei überwiegt zunehmend der Ansatz der „Hilfe zur Selbsthilfe“, besonders durch Förderung von Bildung und Gesundheit. China bedient sich bei seiner Armutsbekämpfung eines abgestimmten Instrumentariums aus erprobten und innovativen Maßnahmen. Gerade bei Bildung und Gesundheit kommt es für die Nachhaltigkeit allerdings darauf an, die Vielfalt der Lebensgrundlagen und Ausdrucksformen zu stärken. Durch einen solchen Befähigungsansatz kann die Volkswirtschaft langfristig von der Kreativität der Menschen auf allen Gebieten mit sozialem Wert profitieren und damit immer neue Strategien ermöglichen, der Armut und Krankheit durch Lernen zu entgehen. 
Ähnlich beeindruckt hatte sich die Welt zuvor nur von dem sogenannten „deutschen Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt. In den 1950er Jahren nutzte Deutschland die Chance, durch Aufbau und nachholende Modernisierung, durch harte Arbeit und soziales Bewusstsein, eine tragfähige Grundlage für Frieden und Wohlstand zu legen. Diese Entwicklung überdauerte unter der Führung Willy Brandts die globale Energiekrise 1973 und wurde mit der Wiedervereinigung 1990 jäh unterbrochen. Eine neoliberale Politikwende stellte die Weichen im gesamten nordatlantischen Westen von Wertschöpfung auf Wertabschöpfung um, von Realwirtschaft auf virtuelle Finanzwirtschaft. Der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit zwischen sozialer Marktwirtschaft in Deutschland und sozialistischer Marktwirtschaft in China blieb deshalb weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Mit seiner distanzierten Haltung zur Entfremdung der Arbeit vom Kapital konnte China jedoch einen wichtigen Beitrag zur ökonomischen Stabilität der Weltwirtschaft leisten. In diesem Rahmen versteht man, warum die Armut in China robust und stetig abnimmt. 
Auch wenn das „deutsche Wirtschaftswunder“ unter völlig anderen weltpolitischen Bedingungen und vor einer kaum vergleichbaren Ausgangslage stattfand, lassen sich wichtige Lehren aus den Erfolgen und dem Scheitern ziehen, die China sich heute, auch im Interesse Europas, zunutze machen kann. Für Deutschland stellt sich dann die Frage: Wo steht dieses „reiche Land“ im Kampf gegen Armut? Alles was ich sehe, ist allerdings zaghaftes Stückwerk.
Auf dem Gebiet der Armutsbekämpfung kann China von einigen europäischen Erfahrungen lernen. In Deutschland nimmt sowohl die Zahl der „Superreichen“ als auch die Armutsgefährdung (nach OECD fielen 2017 15,8 Prozent der Deutschen unter die Armutsgrenze) signifikant zu. Während die Mittelschicht immer dünner wird, schreitet die Entsolidarisierung der Gesellschaft fort. Diese dem chinesischen Trend gegenläufige Entwicklung zeigt die Auswirkungen einer Politik, die versäumt, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Besonders dramatisch wird dies mit Blick auf die Zukunft, denn jedes fünfte Kind lebt unter Armutsbedingungen. Immer mehr Menschen fallen in die Armutsfalle und bleiben darin stecken. Zwei Drittel der Armen verfügen über keinerlei Rücklagen. Auch wenn man in Deutschland noch auf höherem Niveau arm ist als in China, ist der Trend Besorgnis erregend. Deutsche Sozialverbände weisen darauf hin, der Sozialstaat versage hier bei der Aufgabe, Gerechtigkeit, soziale Sicherung und Teilhabe zu schützen. An diesem Punkt reichen weder eine gute Bildung noch eine Arbeitsstelle oder eine insgesamt starke Wirtschaftsleistung aus, um gerechten Wohlstand zu gewährleisten. Das trifft eine Gesellschaft besonders hart, zu deren wichtigsten Ressource immer die Bildung und Arbeitskultur gehört haben. 
Am deutschen Beispiel kann man auch studieren: Wenn die Stratifizierung der Gesellschaft in sehr arme und sehr reiche Schichten aus der Balance gerät, steigt die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit an. Das Vertrauen in die Regierung kann dann sehr schnell abnehmen. Ganz Europa leidet daran, dass die überzeugende Vision einer gemeinsamen Aufgabe fehlt. 

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Armutsbekämpfung,soziale Stabilität,Zwei Tagungen