Robert Bramkamp: Ein Filmprofessor erforscht das Wesen der Rakete Exklusiv
Von Felix Lehmann, Beijing
Der Filmemacher Robert Bramkamp dreht seit 35 Jahren Filme, in denen das Verhältnis von Fakten und Fiktion immer wieder neue Verbindungen eingeht. Mit China.org.cn sprach er im Goethe-Institut Beijing über seinen Raketenfilm Prüfstand 7, den Zusammenhang zwischen Krieg und Fortschritt und chinesische Science-Fiction.
Robert Bramkamp. Copyright: Goethe-Institut China. Foto: Lu Shan.
China.org.cn: Sie sind Professor für Experimentellen Film. Würden Sie Prüfstand 7 auch als Experimentalfilm beschreiben?
Robert Bramkamp: Auf keinen Fall. Mit diesem Begriff wird eine Filmströmung der 60er bis 80er Jahre verbunden. Sie wollte keine Erzählung, sondern alle Formen des Films zerlegen. Es ist aber ein Film, der sich viel Experimentierfreude erlaubt. Statt filmische Illusionen und Erzählmuster zu zerlegen, macht er das Gegenteil. Ich habe aus den vielen Elementen, die in der Rakete zusammenkommen sind und unsichtbar waren, eine Erzählform gemacht. Es gibt keine Gattung, in die er hineinpasst. Heute wird das Experimentieren mit erzählerischen Formen missverstanden.
Prüfstand 7 hat viele Facetten. Von der Erzählform ist er ein Märchen. Die Geschichte der Beziehung der Menschen mit der Technologie seit Ende des Zweiten Weltkriegs kann man als magischen Zauberwald beschreiben. Sie irren tapsend durch diesen Wald, weil sie diese Technologie vor 200 Jahren mit einem nicht mehr umkehrbaren Takeoff in die Welt gesetzt haben. Damit es nicht zu heroisch wird, ist der Film wie eine menippeische Satire aufgebaut, also eine Satireform, bei der die Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden. Wie bei Don Quijiote ist er eine unüberschaubare, lustige und manchmal sehr traurige Weltreise. Der Film versucht, einen Schritt zurückzutreten und auf eine ganz eigenwillige Weise die Geschichte zu erzählen. Sie wurde inspiriert von dem amerikanischen Schriftsteller Thomas Pynchon und seinem Werk Gravity's Rainbow (deutscher Titel: Die Enden der Parabel).
Wie sind Sie auf den Stoff gekommen?
Ich gehöre noch zu der Generation, die in der Kindheit Neill Armstrong auf dem Mond landen sah. Dieses Medienereignis hat mich geprägt. Astronauten waren für mich immer große Helden. Dass mit dem deutschen Raketentechniker Wernher von Braun ein Deutscher im Kontrollzentrum saß, obwohl die Astronauten amerikanische Flaggen am Anzug hatten, war für mich eine seltsame Realität.
Später habe ich einen Astronautenfilm gedreht, Der Himmel der Helden. Damals herrschte noch die Zeit der Blockkonkurrenz. In Bielefeld begegnete ich einem echten Astronauten, der mit Apollo 15 auf dem Mond war und dort eine Gotteserfahrung hatte. Später predigte er vor Exilrussen. Er hatte auf dem Mond einen weißen Mondstein gefunden, seiner Ansicht nach nur deswegen, weil Gott ihm gesagt habe, sich an einer bestimmten Stelle niederzuknien. Dieses Ereignis hat mein Bild umgekehrt, das ich als Zehnjähriger gewonnen hatte. Ich konnte das mit dieser technischen Begeisterung überhaupt nicht zusammenbringen. Deswegen war es notwendig, mich noch einmal neu mit dem Stoff zu beschäftigen.
Im Jahr 2000 wurde das Thema Rakete wieder aufgelegt, und zwar in der Werbung. Da habe ich mir überlegt, ein Porträt von diesem Objekt zu machen. Entscheidend war erstens, dass man nach der Wende wieder nach Peenemünde fahren konnte, und zweitens der Roman von Thomas Pynchon, weil er versucht, die Facetten der Rakete zu untersuchen. Mal ist sie positiv und bringt neues Leben im Weltall, mal ist sie eine Waffe, gegen die man sich nicht wehren kann. Ihr Charakter schillert konsequent.