Deutscher Experte über Band III „Xi Jinping: China regieren“

14. Fünfjahresplan: China „bleibt standhaft, während drohende Wolken vorüberziehen“

17.11.2020

Von Michael Borchmann



Die Worte dieses Titels kamen mir in den Sinn, als ich den Dritten Band „Xi Jinping: China regieren“ las. Zu Beginn des Herbstsemesters 2019 forderte Xi Jinping die jungen Kursteilnehmer der Zentralen Parteihochschule auf, nüchtern zu bleiben und an ihren Überzeugungen festzuhalten. Auch vor großen Herausforderungen solle man sich „von unsere Sicht verdeckenden Wolken nicht beirren lassen“ und müsse „standhaft bleiben, während drohende Wolken vorüberziehen". Diese Zitate harmonieren mit einem Wort des großen chinesischen Generals, Militärstrategen und Philosophen Sun Tzu: „Begegne der Unordnung mit Ordnung und der Unruhe mit Ruhe“. Und an solche bemerkenswerten Worte fühlte ich mich mit Blick auf die jüngst erfolgte fünfte Plenarsitzung des 19. Zentralkomitees der KP Chinas erinnert, die vom 26. bis zum 29. Oktober in Beijing stattfand. In dieser Sitzung ging es natürlich keineswegs um militärische Fragen, sondern um höchst friedliche gesellschaftliche Dinge. Wenn ich gleichwohl auf Sun Tzu Bezug nehme, so deshalb, weil die Überlegungen dieses großartigen chinesischen Denkers weit über den militärischen Bereich hinausragen und daher auch in hohem Maße in die Schulung von Wirtschaftsführern und Managern in Europa Eingang gefunden haben. Aber der Reihe nach.

 

Auf der Tagesordnung der eingangs genannten Plenartagung legte Generalsekretär Xi Jinping als Vertreter des Politbüros des ZK den Arbeitsbericht vor und präsentierte den Entwurf für den 14. Fünfjahresplan zur volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sowie die Festlegung der Ziele bis zum Jahr 2035. Eine endgültige Verabschiedung des 14. Fünfjahresplanes ist zwar auf dem nächsten Nationalen Volkskongress im März kommenden Jahres vorgesehen. Aber die fünfte Plenarsitzung war doch ein Schritt der vertieften Vorbereitung und politischen Weichenstellung, ein sehr substanzielles Signal, wohin der Weg führen wird. Im Lichte dieser Verantwortung waren die Vorbereitungsarbeiten sehr breit angelegt. Zur Vorbereitung des 14. Fünfjahresprogramms waren nicht zuletzt im Internet Stellungnahmen eingeholt worden. Aus mehr als einer Million Beiträgen von Internetnutzern waren mehr als 1.000 Meinungen und Vorschläge herausgefiltert und erörtert worden.

 

Seit 1953 hat China bereits 13 solcher Fünfjahrespläne für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung erstellt und umgesetzt. Und bereits das System dieser Fünfjahrespläne lässt sich geschmeidig in den Gedanken „Begegne der Unordnung mit Ordnung“ einfügen. Ein solches Instrument stellt einen klaren Entwicklungsfahrplan eines Landes dar, zumal eines Landes von der Größe Chinas. Garantiert wird eine stabile und konsistente Politik, zum einen für die eigene Bevölkerung, zum anderen auch für ausländische Investoren. Und endlich: Das gut durchdachte Planungs- und Umsetzungsmodell Chinas dürfte ein Hauptgrund für das beständige und beispiellose Wirtschaftswachstum des Landes über die Jahrzehnte hinweg sein. Und dieses Wirtschaftswachstum ist nicht nur China zu Gute gekommen. Chinas stetiges und dynamisches Wirtschaftswachstum hat es dem Land zugleich ermöglicht, ein stabiler Motor für die globale Wirtschaftsentwicklung zu sein. Offiziellen Statistiken zufolge steht China seit 2006 an erster Stelle, was seinen Beitrag zum globalen Wirtschaftswachstum betrifft, und hat seit 2013 jährlich etwa 30 Prozent zum globalen Wachstum beigetragen.

 

Es liegt ebenfalls im System dieser Fünfjahrespläne, dass einer auf dem anderen aufbaut, dass ein neuer Plan nahtlos an seinen Vorgänger anknüpft.

 

Und der aktuell seinem Ende zuneigende 13. Fünfjahresplan hat an sich sehr gute Voraussetzungen für die weitere Entwicklung geschaffen. So ist die chinesische Wirtschaft auf fast 100 Billionen Yuan (etwa 15 Billionen US-Dollar) gewachsen, wobei das Pro-Kopf-BIP 10.000 US-Dollar übersteigt. Ferner wurden die im 13. Fünfjahresplan festgelegten Ziele zur Kontrolle der Umweltverschmutzung erreicht. Für große Teile der Bevölkerung besonders erfreulich: Aufgrund einer proaktiveren Beschäftigungspolitik im Zeitraum des 13. Fünfjahresplans wurde eine dauerhafte Stabilität in der Beschäftigungssituation erreicht. Von 2016 bis 2019 wurden jedes Jahr über 13 Millionen Arbeitsplätze in Städten geschaffen. Und besonders erwähnenswert: China hat jetzt die weltweit größte Bevölkerung mit mittlerem Einkommen (ca. 400 Millionen Menschen) und wird die absolute Armut in naher Zukunft völlig beenden: Bis Ende 2019 war die Zahl der chinesischen Bürger, die in Armut leben, von 98,99 Millionen im Jahr 2012 auf 5,51 Millionen gesunken. China ist somit auf dem Weg, die extreme Armut bis Ende 2020 zu beseitigen und wird damit das erste Land in der Welt sein, das die absolute Armut beendet. Somit habe China in der Geschichte der Menschheit bei der Armutsbekämpfung ein neues Kapitel aufgeschlagen, so stellte Xi auf einem Symposium zur gezielten Armutsbekämpfung Anfang 2018 fest. Neben der großen Entschlossenheit der politischen Führung und der Disziplin der Chinesen bei der Pandemiebekämpfung haben endlich die Erfolge des 13. Fünfjahresplanes ein solides Fundament dafür geschaffen, dass Chinas Wirtschaft nach einem pandemiebedingten Einbruch im ersten Quartal 2020 inzwischen wieder solch gesunde Zuwächse (4,9 Prozent im dritten Quartal) aufweist, dass nach Einschätzung aller maßgeblichen Experten es 2020 die einzige Volkswirtschaft mit einem positiven Wachstum bleiben wird.

 

Wenn trotz dieser positiven Startbedingungen gerade die Arbeiten am 14. Fünfjahresplan eine besondere Herausforderung darstellten und darstellen, so liegt das an Umständen, die China nicht zu verantworten hat. Der eine Umstand ist die weltweite Pandemielage. Kaum einem anderen Land weltweit ist es gelungen, die Pandemie auch nur ähnlich effektiv und kurzzeitig in den Griff zu bekommen wie China. Der andere Umstand sind die Gefährdungen, denen Multilateralismus und Globalisierung durch den wachsenden „Ungeist“ von Protektionismus und Unilateralismus ausgesetzt sind: Multilateralismus und Globalisierung haben mehr Frieden, mehr Sicherheit und mehr Wohlstand für immer mehr Menschen auf der Welt ermöglicht. Diese in Frage zu stellen, wie dies namentlich die USA – aus meiner Sicht aus vordergründigen machtpolitischen Bestrebungen – massiv betreiben, heißt zugleich, Wohl und Fortschritt der Menschheit insgesamt in Frage zu stellen.

 

Für China bedeuten diese Entwicklungen vor allem, in dem anstehenden Fünfjahresplan das Land und seine weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unverwundbar zu machen gegen diese intern nicht steuerbaren äußeren Risiken. Mit anderen Worten: Von außen kommender Unordnung und Unruhe (schwebenden oder wilden Wolken) mit Ordnung und Ruhe (Nüchternheit und Gelassenheit) zu begegnen. Und ich denke einmal, das nunmehr erarbeitete neue Entwicklungsmodell wird eine verlässliche Grundlage für weiteres stabiles Wachstum, für eine weitere gesellschaftliche Fortentwicklung sein. Dieses neue Entwicklungsmodell beruht auf zwei Säulen. Die von Generalsekretär Xi Jinping frühzeitig bei verschiedenen Anlässen vorgestellte und als „Doppelter Kreislauf“ bezeichnete Strategie zielt darauf, einerseits die Binnenwirtschaft zu stärken und unabhängiger von äußeren Einflüssen zu werden. Die Wirtschaft soll sich „gesund entwickeln“, indem Qualität und Effektivität deutlich verbessert werden. Dies bedeutet gerade auch ein entschiedenes weiteres Voranschreiten auf dem Wege der Digitalisierung, Highend-Fertigung, intelligenten Produktion, Hochtechnologie und überhaupt der Innovation. Flankiert werden wird dies durch weitere Investitionen in den Bildungsbereich sowie in Forschung und Entwicklung. Zugleich aber soll die Binnennachfrage zusätzlich belebt werden, aufgrund der erheblichen Einkommenszuwächse großer Teile der chinesischen Bevölkerung ein sehr realistischer Ansatz. Neben dieser ersten Säule wird als zweite Säule die weitere Öffnung nach außen stehen. Eine weiter gestärkte chinesische Wirtschaft wird eine ideale Grundlage bilden, um die Kooperation mit dem Ausland zum gegenseitigen Vorteil weiter auszubauen, diese Kooperation auf ein höheres Niveau zu heben. Unterstellungen in der Form, dieses Entwicklungsmodell bedeute eine Entkopplung vom Ausland, sind völlig verfehlt. In seiner Funktion als chinesischer Staatspräsident war es ja seit Jahren immer wieder Xi Jinping, der das Banner des Multilateralismus weltweit konsequent hochgehalten hat. Beispielsweise hat Xi Jinping auf der Jahrestagung des Boao-Asienforums 2018 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass China seine Tür nicht verschließen, sondern immer weiter öffnen werde. Die Volksrepublik setze sich aktiv für den Aufbau der globalen Partnerschaft ein und werde Multilateralismus entschieden unterstützen. Zudem sei das Land gerne bereit, an der Reform des Global Governance-Systems teilzunehmen, wodurch der Aufbau einer Gesellschaft mit geteilter Zukunft der Menschheit gefördert werde, sagte er. Ausdrücklich bestätigt wurde dies in der ersten Pressekonferenz zu der fünften Plenarsitzung durch Han Wenxiu, den stellvertretenden Direktor des Büros der Kommission des ZK der KP Chinas für Finanzen und Wirtschaft: China setze auf eine Doppelzirkulation von innerstaatlicher und internationaler Entwicklung und die Öffnung nach außen auf einem höheren Niveau. Dadurch solle China zu einem starken Zielort für hochwertige globale Ressourcen und zu einem fruchtbaren Land für ausländische Investitionen und Geschäfte werden. Und Wang Zhigang, Minister für Wissenschaft und Technologie, ergänzte, dass technologische Eigenständigkeit und Öffnung und Zusammenarbeit keine Gegensätze seien. Chinas Tempo bei der Ausweitung der Öffnung und Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft und Technologie werde immer höher sein.

 

Natürlich wird der Kanon des neuen Fünfjahresplanes noch sehr viel breiter angelegt sein. China wird weiter energisch daran arbeiten, seine selbst gesetzten ambitionierten Umweltziele umzusetzen. Weitere Themen umfassen die Steigerung des Einkommens der Bevölkerung, die Politik der vorrangigen Beschäftigung, den Aufbau eines qualitativ hochwertigen Bildungssystems und die weitere Verbesserung des Systems der sozialen Absicherung. Vor allem aber bleibt festzuhalten, dass China auch mit diesem Plan nach innen wie nach außen ein Zeichen der Zuversicht und der Stabilität setzt, oder – um auf Sun Tzu und Xis Aufforderungen zurückzukommen – weltpolitischer Unordnung und Unruhe mit fester Ordnung und Ruhe begegnet, oder „sich von unsere Sicht verdeckenden Wolken nicht beirren lässt“ und „standhaft bleibt, während drohende Wolken vorüberziehen ".


Der Autor, Dr. jur. Michael Borchmann, ist Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D. und Senior Adviser der China International Investment Promotion Agency (CIIPA). Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Xi Jinping,Herausforderung,14. Fünfjahresplan,Pandemiebekämpfung