​Jahrestag der Heimkehr Hongkongs

Ein Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Exklusiv

28.06.2021

von Dr. Michael Borchmann


Der 1. Juli 1997 markiert ein besonderes Datum in der chinesischen Geschichte. Er markiert den Tag der Rückkehr, ja der Heimkehr Hongkongs nach China. Damit gingen 155 Jahre Fremdherrschaft zu Ende. Eine Epoche als britische Kolonie. Sehr spät, möchte man sagen, war doch die koloniale Epoche Jahrzehnte zuvor nahezu weltweit beendet worden. Und die Geschichte dieser Fremdherrschaft sollte in unseren Köpfen gerade auch heute präsent bleiben, gerade in einer Zeit, in der von mancher westlicher Seite weiter versucht wird, China in Sachen Hongkong Vorschriften zu machen. 



Die Wegnahme Hongkongs von China war Ergebnis eines sogenannten Vertrages von Nanjing aus dem Jahre 1842. „Sogenannter“ Vertrag deshalb, weil es sich um kein frei ausgehandeltes Vertragswerk zwischen zwei gleichberechtigten Partnern handelte, sondern China im Angesicht britischer Waffen von der militärisch weit überlegenen Kolonialmacht aufgezwungen wurde, auf „immer und ewig“ auf Hongkong zu verzichten. Selbstherrlich hatten die Briten schon vor Unterzeichnung des Vertrages in Hongkong ihre eigene Flagge gehisst. Und ebenfalls im Anblick überlegener britischer Waffen war China 1860 gezwungen, das Gebiet der Halbinsel Kowloon in die Hand der Fremdherrscher zu geben. Schließlich wurde China 1898 noch ein „Pachtvertrag“ aufoktroyiert, für 99 Jahre die umliegenden „New Territories“ an die Briten zu verpachten. 


Als ausgebildeter Jurist fühle ich mich bei diesen damaligen Vorgängen an das deutsche Strafrecht erinnert. Nimmt man einem Anderen eine Sache mit Gewalt oder direkte Androhung von Gewalt weg, spricht man von „Raub“ oder „räuberischer Erpressung“. Dies ist nicht nur strafbar, vielmehr erwirbt der Täter niemals rechtmäßiges Eigentum an dem abgepressten Gegenstand. Jedenfalls war die Rückkehr Hongkongs nach China 1997 nichts anderes als die sehr späte Wiederherstellung eines ordentlichen Rechtszustandes, gefördert u.a. dadurch, dass 1997 der Pachtvertrag für die „New Territories“ auslief. Ohne diese Gebiete wäre die Innenstadt auf Hong Kong Island oder in Kowloon nicht lebensfähig gewesen. Beide Seiten einigten sich auf eine Rückkehr Hongkongs zum 1. Juli 1997. Mit der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ wurde Hongkong zur Sonderverwaltungszone Chinas. Die Stadt behält demnach für 50 Jahre - also bis 2047 - eine freie Marktwirtschaft, eine eigene Währung sowie ein eigenes politisches und rechtliches System. Nach der Rückkehr erhielt Hongkong ein Grundgesetz, das politisches System, Wirtschaft und Justiz regelt. Es setzt fest, dass Hongkong beispielsweise eigene Zölle erheben oder im Bereich Wirtschaft, Handel, Finanzen usw.  individuelle Beziehungen zu anderen Staaten führen darf. 


Ganz zur Ruhe kam Hongkong nach Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes allerdings nicht. Unruhen auf den Straßen mit Gewaltexzessen sezessionistischer Gruppen führten zu notwenigen Sicherheitsgesetzen zur Bekämpfung der Unruhen und zum Ausschluss von Unruhestiftern aus politischen Gremien. Das sind Dinge, die in allen zivilisierten Staaten entsprechend geregelt sind: In den USA wurden jüngst Gewaltexzesse gegenüber dem Parlament bestraft, und in den USA sind ebenso wie auch in Deutschland Straftäter, namentlich politische, vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Gleichwohl werden die von China getroffenen Maßnahmen in internationalen Organisationen von manchen Ländern immer wieder angefeindet, und mit Genugtuung habe ich gelesen, dass Ende vergangenen Jahres ein entsprechender Vorstoß in der Generalversammlung der Vereinten Nationen von einer Mehrheit von 70 Ländern deutlich zurückgewiesen wurde, unter Hinweis darauf, dass das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten zu den unverbrüchlichen Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen gehöre.  


Unbeschadet des Versuchs von „Querschüssen“ der genannten Art geht die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Hongkongs dynamisch voran. Ein wichtiger Anstoß für die Zukunft war, dass im Februar 2019 in Beijing der „Outline Development Plan for the Guangdong-Hong Kong-Macao Greater Bay Area“ verkündet wurde. Sein Gegenstand ist es, die beiden Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao eng mit neun Städten des Perlflussdeltas zu vernetzen. Zur Greater Bay Area (GBA) gehören als zwei weitere „Kernstädte“ Guangzhou und Shenzhen; daneben Foshan, Dongguan, Zhongshan und Zhuhai im Zentrum, Huizhou im Osten sowie Zhaoqing und Jiangmen im Westen. Die gesamte Agglomeration erwirtschaftete schon 2019 mit mehr als 70 Mio. Bewohnern ein BIP von 1,7 Billionen US-Dollar. Vorausgegangen war bereits – ebenfalls an einem Jubiläumstag der Heimkehr Hongkongs – am 1. Juli 2017 in Anwesenheit von Staatspräsident Xi Jinping die Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung über eine enge und vertrauensvolle Kooperation der Beteiligten bei der Entwicklung der Greater-Bay-Area (GBA) durch die Regierungen von Guangdong, Hongkong und Macao gemeinsam mit der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission. In dieser Rahmenvereinbarung waren die Ziele, die Grundsätze und die Schlüsselbereiche der Kooperation festgelegt worden. Dies wurde dann konkretisiert in dem genannten Plan von 2019 mit der Zielsetzung, die die unterschiedlichen Vorteile der GBA-Mitglieder zu bündeln und einen herausragenden Wirtschaftsraum zum Leben, Arbeiten und Reisen zu schaffen, ein hochinnovatives Städte-Cluster von Weltgeltung. Bis 2035 sollen Innovationen den wesentlichen Entwicklungsmotor darstellen, sodass die ökonomischen und technologischen Stärken der Region ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihren Einfluss international weiter stärken. 


Dies alles lässt die Prognose zu, dass die Kraft der GBA in der ohnedies dynamischen chinesischen Wirtschaft noch weitere kraftvolle Akzente setzen wird, zumal mittels der bereits vorhandenen herausragenden Industriebranchen, die da sind Fertigungsexporte, Technologieentwicklung, Finanztechnologie und Immobilien. 2019 kamen 20 der Fortune 500 Unternehmen aus der GBA, darunter unter anderem Tencent, Huawei, Ping An Insurance und China Resources. Dies alles baut auf einem exzellenten logistischen Fundament auf. Denn bereits heute verfügt die GBA über drei (Hong Kong, Guangzhou und Shenzhen) der weltweit zehn führenden Containerhäfen. Und 13 Prozent des weltweiten Luftfrachtverkehrs wurden 2019 über drei ihrer Flughäfen (Hong Kong International Airport, Shenzhen Bao‘an International Airport und Guangzhou Baiyun International Airport) abgewickelt. Dieses vorzügliche Luftverkehrsnetz wird zudem zügig weiter ausgebaut: Hongkong International Airport wird ebenso erneuert und erweitert wie die Flughäfen in Macao, Guangzhou, Shenzhen und in weiteren Städten. Guangzhou soll außerdem einen zweiten Flughafen erhalten. Ergänzt wird dies ferner durch ein weitreichendes Hochgeschwindigkeitsbahnnetzwerk, das die Städte miteinander verbindet, sowie ein ausgedehntes Schienenverkehrsnetz innerhalb der Metropolen. Endlich gibt es weitere wichtige Infrastrukturprojekte, welche die einzelnen Städte der Region besser verbinden sollen: Nämlich die Hong Kong-Zhuhai-Macau-Brücke (HZMB), den Hongkong direkt mit 58 Festlandstädten in extrem kurzen Fahrzeiten verbindenden Express Rail Link (XRL) und den Shenzhen-Zhongshan Korridor, ein 24 Kilometer langes Cluster aus Überseebrücke, Unterseetunnel, künstlichen Inseln und unterirdischen Knotenpunkten. 


Welche großen Erwartungen weltweit führende Industrieunternehmen in die Zukunft der GBA haben, dokumentierte aus deutscher Sicht kürzlich Siemens mit dem Startschuss für den Aufbau eines Innovationszentrums für fortschrittliche Energietechnologien in Shenzhen, das sich auf die Technologiefelder Smart Energy, moderne Gasturbinen und grünen Wasserstoff fokussiert. In der Pressemitteilung des Unternehmens hieß es hierzu u.a., dass eine zuverlässige, effiziente und kohlenstoffarme Energieversorgung der Schlüssel sei, um die Greater Bay Area zum Weltklasse-Stadtcluster auszubauen. 


Halten wir fest: Mit der Rückkehr nach China schreibt Hongkong eine ausgesprochene Erfolgsgeschichte und wird als „Perle“ in der Kette der Greater Bay Area noch weiteren Glanz gewinnen.


Der Autor, Dr. jur. Michael Borchmann, ist Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D. und Senior Adviser der China International Investment Promotion Agency (CIIPA). Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.

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Quelle: german.china.org.cn

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