Einseitigkeiten und Ungerechtigkeiten

Der Fall Navina Heyden: Ein mediales „deutsches Trauerspiel“ oder Signal einer McCarthy-Ära in Deutschland? Exklusiv

03.08.2021

Von Dr. jur. Michael Borchmann

 

Vor etwas mehr als einem Jahr veröffentlichte eine Kölner Zeitung ein Ranking des Respektes der deutschen Bevölkerung gegenüber einzelnen Berufsgruppen. Auf dem vorletzten Platz: Die Journalisten. Ich weiß, man muss mit solchen Pauschalierungen vorsichtig sein. Persönlich habe ich nämlich in der Vergangenheit zahlreiche sehr angenehme Begegnungen mit Journalisten gehabt.


Drei Journalisten der Zeitung Welt haben Navia Heyden (rechts) per Video interviewt. Sie haben ihr freundlich vorgespiegelt, Hintergründe für ihre positive Einstellung zu China erfahren zu wollen und keine Publikation ohne ihre Zustimmung vornehmen zu wollen. All dies ist nicht eingehalten worden. 


Die Geschichte aber, die nunmehr einer jungen Studentin mit Namen Navina Heyden passiert ist, ist geeignet, die Vorurteile gegen die Journalisten insgesamt zu befeuern. Frau Heyden liebt China und seine Kultur, hält sich oft dort auf, bezeichnet das Land als ihre „2. Heimat“ und hat auch einen chinesischen Partner. Offenbar ist sie in den Fokus der Tageszeitung „Die Welt“ geraten, weil sie auf einem viel besuchten Twitter-Account (mir selbst ist die Welt von Twitter und Facebook fremd) negativen Meldungen über China entgegentritt und ihre eigenen Beobachtungen und Ansichten dagegenhält. Mir persönlich wurde ihr Name erst bekannt, nachdem die zitierte „Welt“ im Juni einen Artikel über sie veröffentlicht hat, in dem sie neben einem bekannten Politiker und einem renommierten Journalisten, dem früheren Leiter des Brüsseler Studios des Zweiten Deutschen Fernsehens, als heimliche Propagandistin Chinas in Deutschland tituliert wurde, als Teil einer weltweiten medialen Propagandastrategie.


Ich habe aufgrund der Wellen, die der Artikel geschlagen hat, selbst einmal ein wenig im Web zu dem Fall recherchiert und die glaubhafte Aussage der jungen Frau gefunden, dass sie sich mit ihren Posts gegen Einseitigkeiten und Ungerechtigkeiten gegen China wehren wolle. Dafür habe ich sehr viel Verständnis. Die Empfindungen bei mir als junger Mensch zu Beginn meines Studiums waren ähnlich gelagert, ja sogar der Grund für die Aufnahme eines Studiums der Rechtswissenschaften anstelle eines ursprünglich erwogenen Studiums der Chemie. Und obwohl das Leben mich gelehrt hat, wie weit das Leben oft von Recht und Gerechtigkeit entfernt ist, einseitige und verzerrende Darstellungen lassen mich auch heute noch nicht kalt.



Und unter solcher einseitigen negativen Behandlung hat China in Deutschland immer wieder zu leiden. Was China auch immer unternimmt, seien es Werbebanner bei der Fußball-Euro, seien es Buchpräsentationen in Buchhandlungen oder der Versuch, Beilagen in deutschen Tageszeitungen zu schalten, schließlich auch die Vermittlung chinesischer Sprache und Kultur durch Konfuzius-Institute: Immer ertönt der Vorwurf, China wollen manipulieren und unsere politische Autonomie untergraben. Dagegen bleiben die wirklichen Influencer, die massiv auch unsere Politik zu steuern versuchen, unerwähnt. Und diese kommen nicht aus dem Osten, sondern dem Westen, aus den USA. Als Beispiele sei vor allem der German Marshall Fund (GMF) genannt, der monatlich in einem Blog „China in Europa“ berichtet. Hier wird nicht nur unverfroren über die Abstimmungen des GMF mit der Partei „Die Grünen“ über gegen China gerichtete parlamentarische Anfragen unterrichtet, sondern auch die unverhohlene Freude über den Ablauf der Kanzlerschaft von Angela Merkel geäußert, da diese eine sachliches Verhältnis zu China unterhalten habe. Und diese Institution unterhält auch ein Programm für junge Führungskräfte, die in die USA geschickt und systematisch mit den Wünschen und Vorstellungen der Herrscher vom Potomac vertraut gemacht werden.


Weshalb herrscht hierüber in der deutschen Medienlandschaft „Schweigen im Walde“? Obwohl es doch so ist: Wenn ein Land massiv durch Helfer und Helfershelfer Einfluss auf Deutschland nimmt, dann sind es die USA.


Attackiert wird in dem genannten Zeitungsbericht als China-Helfer auch der Bundesminister a.D. und Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU), der Ende 2019 mit Politikern und Wirtschaftsführern die „China-Brücke“ gegründet hat, ein Pendant zur Atlantik-Brücke. Aber während letztere als selbstverständlicher Ausdruck der transatlantischen Kooperation nicht in Frage gestellt wird, wird die China-Brücke alsbald dem Verdacht ausgesetzt, Handlanger Chinas zu sein!


Lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu der Behauptung, dass uns Deutsche ja mit den USA gemeinsame Werte verbinden würden. Selbst sehe ich mit einem Land wenig Gemeinsamkeiten, das mit Täuschung und Unwahrheiten die Welt immer wieder in Kriege und Spannungen geführt hat, genannt seien nur die Tonking Affäre, das zur Destabilisierung und Desavouierung der Sowjetunion unter Reagan eingesetzte „Komitee für Täuschungsoperationen“ einschließlich von durchgeführten Sabotageakten oder auch den Angriff auf den Irak.


Aber zurück speziell zum Fall Navina Heyden: Was an diesem Fall besonders betroffen stimmt, ist das Vorgehen der Welt-Redaktion, das die junge Frau mit überzeugenden Argumenten als rücksichtslos, unmoralisch und täuschend bezeichnet. Man habe ihr freundlich vorgespiegelt, Hintergründe für ihre positive Einstellung zu China erfahren zu wollen und keine Publikation ohne ihre Zustimmung vornehmen zu wollen. All dies sei nicht eingehalten worden. Betroffen stimmt auch, was sie zu ihrem Wunsch eines juristischen Vorgehens gegen den Medienkonzern sagt: „Leider habe ich bis jetzt noch keinen Anwalt gefunden, der diesen Fall annehmen möchte. Ich vermute, das liegt primär an den politischen und beruflichen Konsequenzen, die mit so einem Fall in einem westlichen Land verbunden sein können.“ Die US-amerikanische Informationsplattform Quora sieht in Deutschland sogar die Gefahr einer McCarthy-Ära heraufziehen. Gemeint ist der berüchtigte Zeitabschnitt in der US-Geschichte zu Beginn des kalten Krieges, geprägt durch einen lautstarken Antikommunismus und Verschwörungstheorien. Aber da ist auch noch die menschliche Komponente: Haben sich die Verantwortlichen überlegt, was man mit einem Menschen und erst recht einem jungen Menschen durch ein derartiges Vorgehen macht? Zum einen, was die beruflichen Perspektiven von Frau Heyden betrifft. Dann auch, was ihre Familie betrifft, die sicher leidet, wenn die Tochter im Fokus solcher Schmähungen steht. Und schließlich: Was richtet man im Inneren eines Menschen an? Ich frage mich, ob die verantwortlichen Redakteure so kaltschnäuzig sind, nach ihrer Aktion immer noch kein schlechtes Gewissen zu haben.


Der Autor, Dr. jur. Michael Borchmann, ist Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D. und Senior Adviser der China International Investment Promotion Agency (CIIPA). Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Navina Heyden,Propagandistin,China,USA,Ungerechtigkeiten