Der Buddhismus gelangte im 7. Jahrhundert aus den zentralen Gebieten Chinas sowie Indien und Nepal in Tibet. Im Laufe einiger Jahrhunderte nahm er viele Elemente und Formen der Bön-Religion in sich auf, um die eigene Existenz und Entwicklung zu sichern und sich in die lokale kulturelle Umgebung einzugliedern. Beeinflusst von verschiedenen kulturellen Elementen aus der Umgebung, gewann er allmählich lokale und nationale Besonderheiten und entwickelte sich zu einer Schule, die sich von dem Han-Chinesischen Buddhismus und dem Theravada-Buddhismus, der heute vor allem auf Sri Lanka, in Thailand und Myanmar verbreitet ist, unterscheidet. Daher wird er als Tibetischer Buddhismus und im Volksmund als Lamaismus bezeichnet. Er hat eine große Anzahl von tibetischsprachigen kanonischen Schriften, inhaltsreiche Doktrinen, vollständige organisatorische Strukturen von Tempeln und Klöstern, strenge Regeln und eine Rangordnung für das Studium der Sutras und das einzigartige Reinkarnationssystem der Lebenden Buddhas hervorgebracht.
Mani-Steine mit Sutras
Nach langjähriger Entwicklung sind im Tibetischen Buddhismus viele Schulen entstanden, darunter die Nyingma-Sekte, die Sag’ya-Sekte, die Gag’yü-Sekte und die Gêlug-Sekte. Einige Schulen hatten in der traditionellen Gesellschaft und Kultur Tibets, ja in der Geschichte Chinas, einen großen und weit reichenden Einfluss. Die Gêlug-Sekte, die Anfang des 15. Jahrhunderts von Tsongkhapa begründet wurde, errang eine dominierende Stellung. Diese Sekte kennt zwei Reinkarnationssysteme Lebender Buddhas, nämlich das des Dalai Lamas und das des Bainqên Erdenis.
Der Tibetische Buddhismus ist hauptsächlich in Tibet verbreitet und in den von Tibetern bewohnten Gebieten in Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan sowie in den von Mongolen, Tu, Yugu und Monba bevölkerten Regionen. Auch unter Han und einigen anderen ethnischen Gruppen wie Naxi, Lhoba, Pumi hat er Anhänger. Außerdem besitzt er in Bhutan, Nepal, der Mongolei und Kaschmir sowie Burjatien von Russland einen gesellschaftlichen Einfluss unterschiedlichen Grades. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelangte er auch in Europa und Amerika.
Goldene Urne und Elfenbein-Lose zur Bestimmung vom Seelenkind der Reinkarnationen, verliehen von der Qing-Regierung
In der Blütezeit des Tibetischen Buddhismus musste jede Familie mit mehreren Kindern mindestens ein Kind ins Kloster schicken. Nach dem 16. Jahrhundert machten Mönche und Nonnen am meisten ein Viertel der tibetischen Bevölkerung aus. Im Jahr 1951, als Tibet friedlich befreit wurde, gab es in Tibet über 100 000 Mönche und Nonnen, die mehr als 10 Prozent der damaligen tibetischen Bevölkerung stellten. Nach der demokratischen Reform im Jahr 1959 führten die Tempel und Klöster Tibets eine Reform durch. Seitdem haben die Tibeter die Freiheit, Mönche zu werden, und die Mönche haben die Freiheit, ins weltliche Leben zurückzukehren.