Zwei Ausländer sind besessen von Chinas Höhlen |
Schlank, Brille tragend und ruhig sprechend fällt es schwer, die an ihrem Notebook arbeitende Amerikanerin mit dem gefährlichen Leben einer professionellen Höhlenkletterin in Verbindung zu bringen. Im Grunde ist sie aber noch mehr als das: sie hat an der Gründung von Hongmeigui, einer Gesellschaft für Höhlenforschung in China mitgearbeitet. Der Unterschied zwischen Bergsteigen und Höhlenklettern ist mehr als nur die Entscheidung auf einen Gipfel zu klettern oder sich in die Eingeweide der Erde zu begeben, erklärt die 30 Jahre alte Lynch. Höhlenklettern ist eine größere Herausforderung, da man sich in eine unbekannte Welt begibt und nicht weiß, was einem begegnen wird, erklärt sie während sie Fotos von Höhlen in China zeigt, die sie erforscht hat. Außerdem sei Höhlenklettern leichter zu bewerkstelligen, da es informaler sei, erklärt Lynchs Partner Duncan Collis. Höhlenkletterer müssten sich nur mit den entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen auskennen und gut trainiert sein, sie bräuchten sich nicht teuren profitorientierten Bergsteigergruppen anzuschließen. 1998 hat Lynch sich erstmals zu Höhlen hingezogen gefühlt. Mittlerweile ist sie Mitglied des Cambridge University Caving Club, des Red Rose Cave and Pothole Club (Hongmeigui), des Southern California Grotto Club und der National Speleological Society. Außerdem hat sie sich freiwillig zur Cave Research Foundation gemeldet. Seitdem hat sie die Welt bereist und ist in den USA, Großbritannien, Irland, Österreich, Spanien und Mexiko in Höhlen gestiegen. Im Jahr 2000 hat Lynch von dem amerikanisch-chinesischen Adventure Capital Program der Durfee Foundation ein Jahresstipendium für die Erforschung von Höhlen in China erhalten. In dieser Zeit entstand ihre Liebe zu China und sie beschloss hier zu bleiben, nachdem das Jahr vorüber war. Der 32 Jahre alte Collis begann 1994, ebenfalls im Rahmen des Cambridge University Caving Clubs, in Höhlen zu klettern. Mittlerweile ist er Mitglied der Britischen Gesellschaft für Höhlenforschung. Gegenwärtig arbeitet Lynch für das Guiliner Karstinstitut und Collis unterrichtet Englisch. Beide verbringen aber weiterhin den größten Teil ihrer Zeit mit der Erforschung und Kartierung von Südchinas Höhlen. "In den letzten sechs Jahren haben wir Höhlen in China erforscht, da die Höhlen hier so beeindruckend und unterschiedlich sind", erklärt Collis. Lynch fügt hinzu, dass sich 49 von weltweit bisher 73 bekannten Tiankengs in China befinden. Ein Tiankeng ist ein großer Trichter mit einem Durchmesser von mindestens 100 Metern und einer Tiefe von 100 Metern. Im Karstgebiet Wulong gibt es einige der schönsten Beispiele für erodierte und kollabierte Tiankengs, die mit den morphologischen Eigenheiten die sie beinhalten, deutliche Hinweise auf die geologische Evolution geben. "Das tiefste Höhlensystem in China ist ebenfalls in Wulong: das Qikeng Dong, dass bis in eine Tiefe von 920 Meter reicht", erzählt Duncan mit hörbarem Enthusiasmus. "Ich habe fünf Tage dort drin verbracht und bin bis in 800 Meter Tiefe abgestiegen. Als ich wieder an die Oberfläche kam, kam mir die frische Luft und der Geruch von Gras so schön vor wie noch nie zuvor." Ihre vollständige Hingabe an die Höhlenkletterei unterscheidet Lynch und Collis von normalen Sportlern. Es ist für sie mehr eine Karriere als ein Sport oder ein Hobby. Im Jahr 2001 hat Lynch mit zwei Freunden Hongmeigui gegründet, eine internationale Gesellschaft für die Erforschung von Höhlen in China. Collis trat der Gesellschaft ein Jahr später bei. Seit ihrer Gründung haben die Mitglieder der Gesellschaft über 245 Kilometer Höhlensysteme in China sowie die drei tiefsten Trichter und das tiefste Höhlensystem des Landes erforscht. Hongmeigui wird von der Durfee Stiftung unterstützt und besteht heute aus 100 Mitgliedern aus 14 Ländern. Ein weiterer Anreiz besteht in der wissenschaftlichen Arbeit die Hongmeiguis Höhlenliebhaber ausführen. Im Jahr 2001 trafen Lynch und Collis mit Professor Zhu Xuewen, dem Vorsitzenden des Komitees für Höhlenforschung bei der Chinesischen Geologischen Gesellschaft zusammen, der die Wulong Houping Tiankengs entdeckt hatte, die ersten erodierten Tiankengs der Welt. Zhu war an der Zusammenstellung von wissenschaftlichen Daten über die Furong Dong und Furong Jiang, die Natürlichen Brücken von Sanqiao und die erodierten Houping Tiankengs beteiligt, die gemeinsam mit dem Shilin-Karstgebiet in Yunnan und dem Libo-Karstgebiet in Guizhou die Aufnahme in die Weltnaturerbeliste beantragt haben. In Folge dieser Zusammenkunft begannen Lynch und Collis für die lokale Regierung zu arbeiten und Höhlensysteme zu kartieren. Jeder der an den Forschungen der Beiden und der anderen Mitglieder der Hongmeigui (Rote Rosen) interessiert ist, kann unter http://www.hongmeigui.net/ ihre Internetseite besuchen, die regelmäßig um Informationen über die neuesten Expeditionen erneuert wird. "Die Internetseite beinhaltet statistische Angaben über die Höhlen, die wir erforschen, die seltenen Mineralien die sie enthalten und die unterirdische Fauna in ihnen, wie zum Beispiel blinde Fische", erklärt Lynch. Die Seite diene außerdem als Log zur Information der weltweiten Gemeinschaft der Höhlenforscher über die jüngsten Entwicklungen in der Forschungs- und Kartierungsarbeit der Gesellschaft. Die Vertreter des Landkreises Wulong und die lokalen Dorfbewohner, die geholfen hätten einige in der Nähe gelegene Höhlen zu finden, hießen ausländische Höhlenkletterer willkommen, erzählt Collis. "Die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit. Als wir die Dörfer Zhonglin und Erwang Dong besuchten, haben sie uns die Höhlen gezeigt", fügt Collis hinzu. Auch sei den Dorfbewohner das touristische Potential der Höhlen durchaus bewusst. Tourismus sollte in der Region aber bewusst entwickelt werden, um die fragilen und einzigartigen biologischen Ökosysteme der Region zu schützen, warnt Collis. Bisher scheint Wulong diesen weisen Ratschlag zu befolgen. Nur die Hälfte der Furong Dong Höhlensysteme sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Von der Sanqiao-Schlucht stehen 2,5 Kilometer offen, der Rest ist zum Schutz der Sanqiao geschlossen. Houping ist weiterhin eine völlig isolierte Bauerngemeinschaft. Darüber hinaus hat die lokale Regierung ein Büro für die Verwaltung des Naturerbes gegründet und mit einem Budget von 13 Millionen Yuan (1,3 Millionen Euro) für den Schutz der Region ausgestattet. Auf der 31. Welterbekonferenz in Neuseeland Ende Juni wird eine Aufnahme des südchinesischen Karstgebiets auf die Welterbeliste erwägt. Ein Sieg ist allerdings schon erzielt worden, da die reine Aufnahme eines Gebiets auf die Bewerberliste automatisch einen verbesserten Schutz des dortigen Ökosystems sichert und es über irgendein beliebtes Touristenziel hinaus erhebt. Ihre Arbeit an dem Antrag für die Anerkennung des Wulong-Karstgebietes als Weltkulturerbe ist zwar nun beendet, aber Lynchs und Collis Leidenschaft nicht. Lynch wird nun erst einmal nach Kalifornien zurückkehren und im Juni ihre Abschlussarbeit beenden, während sich Collis nach Australien begibt, um dort neu entdeckte australische Höhlen zu erforschen. Ihre Faszination für chinesische Höhlen wird sie aber schon sicher bald nach China zurückbringen. "Eine Weltraumreise oder eine U-Bootfahrt können wir uns nicht leisten. Höhlenklettern war unsere einzige Alternative", sagt Lynch im Scherz. Weitere Fotos von Lynch: (China.org.cn, 12. Juni 2007 )
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