Schiedsspruch bewirkt nichts außer einer Steigerung bereits bestehender Spannungen

15.07.2016
 

Trotz der Entfernung der Inseln vom chinesischen Festland ist der chinesische Hoheitsanspruch völkerrechtlich begründet, denn für den völkerrechtlichen Gebietserwerb bei wenig bewohnten oder unbewohnten Gebieten ist keine ständige effektive Kontrolle erforderlich. Das weiß man aus verschiedenen völkerrechtlichen Präzedenzfällen, z.B. aus dem Streit zwischen Dänemark und Norwegen um Ostgrönland oder dem Streit zwischen Frankreich und Mexiko um die Insel Clipperton. Es reichen Patrouillen, gelegentliche Besuche, wirtschaftliche Nutzung wie Fischerei. Derlei Akte sind von China hinreichend nachgewiesen worden. Als Frankreich 1933 gegenüber den beiden Hauptinseln der Gruppe Itu Aba und Nansha (Spratly) eine Annexionserklärung abgab, befand sich auf Nansha (Spratly) eine Ansiedlung von aus Hainan gekommenen Fischern. China protestierte und wahrte damit seine Ansprüche. 1939 wurden die Inseln durch Japan besetzt und 1947 wieder durch China in Form einer speziellen Marineexpedition übernommen. Spätere Besetzungen durch die Philippinen und die Vietnamesen waren daher völkerrechtswidrig. Japan gab 1951 auf der Konferenz von San Francisco seine Okkupation der Inseln im Südchinesischen Meer auf und, wie auch John F. Copper festgestellt hat, hielt China durch den rechtzeitig eingebrachten Protest seine Ansprüche aufrecht (John F. Copper, Peking on the Law of the Seas Conference, China Report [Delhi], Bd. 11, Nr. 1, Januar/Februar 1975, S. 4).

Dem Argument der Philippinen hinsichtlich der geographischen Nähe als Grundlage für einen Anspruch steht das Urteil im Palmas Fall entgegen. Die Philippinen wurden während des Besuches von Präsident Marcos in China im Juni 1975 darauf hingewiesen, dass China philippinische Bohrungen bei den Spratly-Inseln nicht dulden werde (Summary of World Broadcasts, 19. Juni 1975, Port 3, The Far East, 5238/A3/1). China bot den Philippinen als Zeichen des guten Willens Öllieferung an (Summary of World Broadcasts, 19. Juni 1975, Port 3, The Far East, W/901/A/5) und setzte wenig später ein Signal, wie es sich die Beilegung von Territorialkonflikten ohne Einmischung von Großmächten vorstellt. So berichtete die Peking Rundschau vom 1. Februar 1977 unter dem Titel „Beilegung von Grenzstreitigkeiten durch Konsultationen“ voll Genugtuung über die erfolgreiche Beilegung von Grenzstreitigkeiten durch afrikanische Staaten.

Genau diese Intervention einer Großmacht ist jedoch durch die Verlagerung des Fokus der amerikanischen Interessen auf Ost- und Südostasien eingetreten und hat die Philippinen dazu bewogen, den von China vorgeschlagenen Weg friedlicher Konsultationen zu verlassen und zu versuchen, China zur Teilnahme an einem Gerichtsverfahren zu erpressen. China hat die Teilnahme am Verfahren mit völkerrechtlich gut fundierten Begründung abgelehnt und die Philippinen hätten wissen müssen, dass wegen der Präzedenzwirkung China gar nicht in der Lage war, über das Recht auf ein Territorium, über welches es einen jahrhundertelangen Souveränitätsanspruch hat, in ein Verfahren einzutreten. Der von den Philippinen erwirkte Spruch verletzt nicht nur die oben angeführten chinesischen wohlerworbenen Rechte, sondern auch einen der wichtigsten Rechtsgrundsätze: „audiatur et altera pars“ (Es ist auch die andere Seite zu hören). Es wurde einseitig ohne Würdigung chinesischer Argumente entschieden. Der Spruch ist daher wichtig und bewirkt nichts außer einer Steigerung bereits bestehender Spannungen.

Über den Autor:

Prof. Gerd Kaminski ist Leiter des Instituts für China- und Südostasienforschung in Wien, Vize-Prädident der Österreichisch-Chinesischen Gesellschaft und Professor für Völkerrecht an der Universität Wien.

 

Chinesische Version

Schlagworte: Südchinesisches Meer, Philippinen

      1   2   3     


Diesen Artikel DruckenMerkenSendenFeedback

Ihr Kommentar

Beitrag
Ihr Name
Anonym
Kommentare (0)