Chinesischer Botschafter in Deutschland

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05.07.2017

Die Einstufung als Marktwirtschaft ist seit langem das Schlüsselthema der Beziehungen zwischen China und der Europäischen Union. Gemäß Artikel 15 des „Protokolls über den Beitritt der Volksrepublik China zur WTO“ sollte das "Surrogat-System" der WTO-Mitgliedsstaaten bei Anti-Dumping-Untersuchungen gegenüber chinesischen Exportgütern am 11.12.2016 ihr Ende finden. Anfang November 2016 hat die Europäische Kommission einen Änderungsvorschlag eingereicht, nach dem Zukünftig nicht mehr zwischen Marktwirtschaften und Nicht-Marktwirtschaften unterschieden werden soll. Dieser Änderungsvorschlag wurde am 11.05.2017 vom Europäischen Rat verabschiedet. Welchen Einfluss wird das zukünftig auf den chinesisch-europäischen Handel haben?

Shi Mingde: Es ist anzuerkennen, dass der europäische Vorschlag, nicht weiter zwischen Marktwirtschaften und Nicht-Marktwirtschaften zu unterschieden, den Willen der Europäischen Union zur Umsetzung von Artikel 15 unterstreicht. Allerdings werden in diesem Vorschlag Konzepte und Normen für Nicht-Marktwirtschaften durch den Begriff der "Marktverzerrung" ersetzt. Im Wesentlichen ist das eine Fortsetzung der ursprünglichen Methode unter anderem Namen. Diese Praxis setzt Artikel 15 nicht vollständig um und widerspricht dem Geist und den Prinzipien der Welthandelsorganisation.

In der Frage der Umsetzung von Artikel 15 war der chinesische Standpunkt immer klar. Fristgemäß das "Surrogat-System" gegenüber China aufzuheben, ist entsprechend der internationalen Verträge eine Pflicht, die strikt einzuhalten ist. China und die EU sind beide Kernmitglieder der WTO. Für den Schutz des multilateralen internationalen Handels und der Liberalisierung des Welthandels bilden sie das Rückgrat. Wir hoffen, dass die Europäische Union Artikel 15 umfassend und gründlich umsetzt. Jegliche neu vorgeschlagenen Handelsregularien sollten fair, angemessen, transparent und frei von neuen Diskriminierungen sein.

 

In den letzten Jahren nehmen die Investitionen und Übernahmen durch chinesische Unternehmen in Deutschland zu, darunter gibt es erfolgreiche Beispiele, aber auch solche, die gescheitert sind. Welche Gründe stecken Ihrer Ansicht nach dahinter? Wir haben mitverfolgt, dass am 15. Mai die dritte Runde der Gespräche zum chinesisch-europäischen Investitionsabkommen in Beijing stattfand. Wie sieht es mit Fortschritten in diesen Gesprächen aus?

Shi Mingde: Die chinesische Wirtschaft hat eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht und die Industrie investiert in Deutschland und drängt auf den deutschen Markt. Das ist eine angemessene und normale Entwicklung. In den letzten Jahren sind die chinesischen Investitionen in Deutschland in eine Beschleunigungsphase eingetreten und die Investitionsgebiete werden breiter, die Themen vielfältiger und die Formen reichhaltiger. Die überwiegende Mehrheit der Investitionen und Aufkäufe dienen der Markterschließung und sind langfristig angelegte strategische Investitionen, um das Mutterunternehmen auf eine höhere Stufe zu bringen. Angestrebt wird gemeinsames Wachstum mit dem akquirierten deutschen Unternehmen und die Schaffung einer Win-win-Situation. Chinesische Investoren bringen große Mengen Kapital nach Deutschland, unterhalten harmonische Beziehungen, etwa zu den Gewerkschaften, schaffen neue Stellen und entfalten eine positive Modellwirkung. Ich würde sagen, der Großteil der chinesischen Aufkäufe in Deutschland war erfolgreich.

Natürlich gibt es auch Beispiele, wo der Erfolg ausblieb. Ein Faktor ist die Verschärfung der Investitionskontrolle durch die deutsche Bundesregierung. Zum Beispiel wurde letztes Jahr der Aufkauf des deutschen Softwareunternehmens Aixtron durch das chinesische Konsortium Grand Chip Investment aus Sicherheitsbedenken als gescheitert erklärt. Wir hoffen, dass Deutschland mit einer offenen und kooperativen Einstellung rational auf chinesische Investitionen blickt, damit sich die Investitionskooperation gesund entwickeln kann. Andererseits gab es aber auch einige chinesische Investoren, die nicht ausreichend vorbereitet waren und sich keine ausreichenden Gedanken über die Machbarkeit gemacht haben. Ihr Verständnis gegenüber den deutschen Gesetzen, dem Steuersystem oder Regelungen über Arbeit und Kapital war nicht ausreichend und nach der übereilten Investition kam es zu Konflikten und Schwierigkeiten. Wir schlagen Investoren vor , an dieser Stelle ihre Marktforschung zu verbessern und sorgfältige Entscheidungen zu treffen.

Als vor Kurzem Ministerpräsident Li Keqiang zu Besuch in Deutschland war, haben beide Regierungschefs gemeinsam versprochen die Gespräche in Gang zu bringen, um möglichst schnell einen Konsens zu finden. Angesichts des derzeitigen Aufstiegs des Protektionismus und der Unwägbarkeiten in der Weltwirtschaft, werden die positiven Ergebnisse der Gespräche über das chinesisch-europäische Investitionsabkommen zukünftig ein weltweites Signal für Win-win-Kooperation sein und die Zuversicht in die Investitionskooperation zwischen den chinesischen und europäischen Unternehmen, einschließlich der deutschen, weiter festigen. China wird an einer aktiven, flexiblen und offenen Einstellung festhalten und danach streben, die Gespräche voranzutreiben. Wir hoffen, dass Europa uns entgegenkommt und wir schnellstmöglich eine Übereinkunft über die Kernfragen und wichtigsten Klauseln zu Papier bringen können.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Botschafter,Deutschland,Innovation,China