Seit 22 Jahren auf den Spuren der chinesischen Seele
China entwickelt sich sehr schnell und viele neue Produkte tauchen auf. Wie beeinflusst das Ihr Leben?
Positiv! Dazu gehört die ganze Verkehrsinfrastruktur. Als ich ankam, gab es zwei U-Bahnlinien mit alten Waggons. Heute kann man in der ganzen Stadt U-Bahn fahren. Es gibt Elektrobusse und E-Autos. In Deutschland macht diese Entwicklung kaum Fortschritte, doch in China geht das alles sehr schnell! Wenn ich jetzt nach Deutschland fahre, habe ich manchmal den Eindruck, ich reise zurück in die Vergangenheit.
Ein anderes Thema sind Online-Einkäufe. Früher bin ich immer mit dem Auto in den Großmarkt gefahren und habe Milch und Kaffee gekauft, das mache ich nicht mehr! Das kaufen wir im Internet, das ist weitaus unkomplizierter.
Sie haben erwähnt, dass Deutschland und China zwei unterschiedliche Länder sind, die ihre eigenen Vor- und Nachteile haben. Durch Austausch können sich beide ergänzen. Welche Beispiele gibt es nach Ihrer Beobachtung?
Seit Jahren gibt es eine Zusammenarbeit im Fußball, doch das markanteste Beispiel ist die Kooperation im Automobilsektor. Jedes bessere Auto hier hat deutsche Wurzeln und die Fahrzeuge werden mittlerweile lokal produziert. Auch die sprachliche Entwicklung nimmt zu. Es gibt in Deutschland immer mehr Menschen, die Chinesisch lernen.
Interessant sind natürlich auch die Forderungen des 19. Parteitages, Stichwort Arbeitsethos und berufliche Meisterschaft. Das sind ganz traditionelle deutsche Tugenden, die früher eine große Rolle spielten, doch mittlerweile bei uns den Bach runtergehen. Aber in China werden diese Tugenden jetzt gewürdigt, denn viele Chinesen sagen: „Das können wir von den Deutschen lernen.“
In diesem Jahr haben Sie als Sprachberater für die Übersetzung des Berichts auf dem 19. Parteitag gearbeitet. Welche Teile des Berichts haben Sie besonders beeindruckt?
Was mich beeindruckt hat, war die Rede von der Not der Armut und das Ziel, eine Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand zu schaffen. Als ich das erste Mal nach Beijing kam, da waren die Leute vergleichsweise arm, Deutschland war relativ wohlhabend. Wenn ich jetzt nach Deutschland fahre, ist es eher umgekehrt. In China kann man beobachten, dass Entwicklung und Armutsbekämpfung im täglichen Leben eine große Rolle spielen.