COVID-19 und die Welt
Chinas Ansehen wächst, aber die eigentlichen Aufgaben liegen noch vor uns Exklusiv
Ole Döring, Berlin
Eine Krankenschwester in dem Nr.1 Volkskrankenhaus in der Präfektur Honghe der südchinesischen Provinz Yunnan zeigt im Quarantänenbereich einen Daumen-Hoch.
Ende des Jahres 2019 entstand der Verdacht, in Wuhan sei SARS wieder ausgebrochen. Diese schwere Atemwegs-Erkrankung hatte 2003 von Südchina ausgehend jeden zehnten der ca. 8000 Infizierten getötet, fast ausschließlich Chinesen. Die damit verbundene politische und wirtschaftliche Krise hatte zu Reformen geführt, die sowohl das Gesundheitswesen Chinas als auch die internationale Zusammenarbeit modernisierten. 17 Jahre später sind die Mauern Eurasiens weiter zerfallen, der globale Verkehr von Menschen, Gütern und Daten hat ein nie da gewesenes Ausmaß erreicht. Die Intensität und Geschwindigkeit, mit der Gedanken und Mikroben sich reiben und bewegen, überfordert den Verstand vieler Menschen, die geistig noch im 21. Jahrhundert zu Hause sind. Altbewährte Maßnahmen der Kontrolle erweisen sich als unwirksam, aber nur wenige Länder sind bereit zu lernen und sich anzupassen.
Während das Virus die Körper befällt, geht die Epidemie in weit größerem Ausmaß durch die Köpfe. In unserer virtuell vernetzten Cyber-Welt ist die eigentliche Front der Seuchenbekämpfung ein Kulturkampf. Eine Art „emotionales Panik-Virus“ hat um sich gegriffen. Es wird wild über die Ursachen des Ausbruchs spekuliert, absurde Vorwürfe gegenüber Behörden werden erhoben, Sündenböcke exponiert, vorschnelle und falsche Annahmen stören den sozialen Frieden und behindern die Organisation der notwendigen Maßnahmen. Dabei liegt Unsicherheit in der Natur unklarer Sachlagen. Kaum etwas ist so subtil, wirkmächtig und unkontrollierbar wie solch ein Virus. Die Umstände erlauben keinen anderen vernünftigen Weg als die respektvolle und solidarische Zusammenarbeit aller Menschen. Dass dabei Fehler gemacht und Probleme zuständiger Institutionen erkannt werden, zeigt, wo man nach der akuten Krise ansetzen kann, um zu lernen. Denn die nächste Epidemie kommt bestimmt. Disziplin und verantwortungsvolles Verhalten, vor allem unter Experten, Amtsträgern und Meinungsmachern, verbessern grundsätzlich die Fähigkeit, auch mit ganz anderen globalen Herausforderungen und Konflikten umzugehen.
Internationale Experten haben erst vor wenigen Tagen das bis dahin namenlose Virus als „Schwester des SARS-CoVs“ von 2003 klassifiziert. Die dadurch verursachte Krankheit heißt jetzt „COVID-19“. Damit ist sowohl die Standardisierung für die Forschung verbunden als auch ein technischer Terminus, der weitere Aufklärung ermöglicht und irrationalen Reaktionen oder Missverständnissen entgegenwirkt. So die Hoffnung des WHO-Generalsekretärs Tedros Adhanom Ghebreyesus, der ausdrücklich vor Hetze, Diskriminierung und Fehlinformationen im Zusammenhang mit der Abwehr des Virus warnt. Was angesichts einer beginnenden Pandemie zu tun ist, wissen wir: Ruhe bewahren, das Problem verstehen, entschlossen handeln. Die WHO benennt die entscheidenden Faktoren, die sowohl Schutzmaßnahmen als auch die Kommunikation leiten müssen: „evidenzbasiert und konsistent“. Hinzu kommt die Proportionalität: während Nachrichtenredaktionen es sich leisten können, Informationen zuzuspitzen und kurzlebige Konjunkturen zu befeuern, müssen Regierungen und Gesundheitsexperten dazu beitragen, langfristige Perspektiven im Auge zu behalten und Gesundheit stiftende Maßnahmen verankern. Besonders im „freien“ Internet tritt Verantwortung für die Folgen der erzeugten Aufmerksamkeit jedoch häufig hinter ungeordnete Ausdrucksmacht zurück, ein Dilemma, das die Staaten unterschiedlich angehen aber noch nicht gelöst haben. Soweit es menschenmöglich ist, hat China sich genau an die Strategie der WHO gehalten, insgesamt klug, mutig und umsichtig agiert. Die Weltgemeinschaft steht China gegenüber in der Schuld dafür, dass die Ausbreitung des Virus relativ frühzeitig verlangsamt werden konnte.
Die schrillen Töne mancher veröffentlichter Meinung sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass sich eine unübersehbar starke Macht über alle Grenzen hinweg spontan zum Guten verbündet hat: Das betrifft zuerst diejenigen, die für die Bekämpfung der Krankheit zuständig sind. Die verbesserte Zusammenarbeit der internationalen Experten, der WHO und chinesischen Behörden bringt erste Früchte. Während die unmittelbaren Maßnahmen der Diagnose, Versorgung und Prävention immer reibungsloser ablaufen, setzt die Aufklärung ein und ein Impfstoff scheint in Sichtweite.
Es betrifft zweitens Verantwortungsträger, seien es Staatschefs wie Österreichischer Bundeskanzler Sebastian Kurz oder Frankreichs Präsident Emmauel Macron aus Anerkennung der Effektivität Chinas oder sei es aus Wertschätzung des chinesischen Governance-Systems (so Tedros für die WHO). Die chinesische Regierung hat sich selbstkritisch und lernwillig gezeigt und dürfte zukünftig noch besser auf derartige Ausbrüche und deren Prävention vorbereitet sein.