Ehemaliger Botschafter in Deutschland
Chinesisch-deutsche Beziehungen durch diesjährige Krise gestärkt Exklusiv
von Shi Mingde
Das außergewöhnliche Jahr 2020 geht zu Ende. Um die globalen Herausforderungen zu bewältigen und darüber hinaus eine Win-win-Situation zu erzielen, bräuchten China und Deutschland eine noch engere Zusammenarbeit denn je. Shi Mingde, ehemaliger chinesischer Botschafter in Deutschland und derzeit Präsident der Gesellschaft für Chinesisch-Deutsche Freundschaft, zieht eine Bilanz aus den Beziehungen zwischen den beiden Seiten im Jahr 2020.
Shi Mingde war von August 2012 bis April 2019 Chinas Botschafter in Deutschland und ist jetzt als Vorsitzender der Gesellschaft für die Chinesisch-Deutsche Freundschaft tätig.
2020 war ein sehr außergewöhnliches Jahr. In einer Zeit von beispielslosen Veränderungen hat die COVID-19-Pandemie die internationale Situation umso instabiler und unsicherer gemacht. In diesem Zusammenhang stehen die chinesisch-deutschen Beziehungen sowohl vor großen Herausforderungen als auch vor neuen Möglichkeiten. Rückblickend auf das ganze Jahr lässt sich feststellen, dass die beiden Länder in ihren bilateralen Beziehungen insgesamt die Stabilität und eine gute Entwicklungsdynamik bewahren konnten. Von Chinas Beziehungen zu allen europäischen Ländern ist die Beziehung zu Deutschland ein Highlight.
Besonders hervorzuheben in dem chinesisch-deutschen Verhältnis sind die häufigen Dialogformate und der rege Austausch zwischen den Staats- und Regierungschefs. Der chinesische Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang haben mehrfach mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert oder zusammen Videokonferenzen abgehalten, um die Richtung für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen festzulegen und neue Impulse zu setzen. Zudem hat Chinas Staatskommissar und Außenminister Wang Yi die Bundesrepublik trotz der Pandemie zweimal besucht und während seiner Aufenthalte bemerkenswerte Ergebnisse erzielt.
Auf dem G20-Gipfel im November sendeten Präsident Xi und Bundeskanzlerin Merkel gemeinsam ein positives Signal für die Aufrechterhaltung des Multilateralismus, die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, die Kooperation bei der Bekämpfung von COVID-19, die Wiederbelebung der Weltwirtschaft und die gemeinsame Reaktion auf weitere globale Herausforderungen.
Nach dem Ausbruch des Coronavirus haben China und Deutschland sich mehrfach in medizinischer und epidemiologischer Hinsicht unterstützt. Dazu gehören die unzähligen Videoseminare und -dialoge unter den Fachleuten. Beide Seiten haben den Austausch und die Zusammenarbeit in der Entwicklung von Impfstoffen und Arzneimitteln verstärkt. Darüber hinaus hat China Deutschland bei der Versorgung mit Masken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräten und anderen Materialien zur Bekämpfung von COVID-19 durch große Lieferungen unterstützt. Regierungen vieler Provinzen und Städte, Unternehmen sowie gesellschaftliche Organisationen aus China haben unter anderem über ihre eigenen Kanäle spontan Schutzausrüstung an betroffene deutsche Städte und Organisationen gespendet, wobei viele berührende Geschichten erzählt werden konnten.
Beide Seiten haben auch die gegenseitige Koordinierung verstärkt und gemeinsam die Wiederaufnahme der Arbeit und Produktion in beiden Ländern gefördert. So konnte die Stabilität der Produktions- und Lieferungsketten zwischen China und der EU bzw. China und Deutschland aufrechterhalten und die Auswirkungen der Pandemie auf die Zusammenarbeit der traditionellen Industrien so gering wie möglich gehalten werden.
Ende Mai übernahmen China und Deutschland auch die Führung bei der Einrichtung eines sogenannten „Fast-Track“-Kanals für Personal, das dringend zur Wiederaufnahme der Arbeit oder Produktion in ihren Unternehmen benötigt wurde. Auf diese Weise konnten Arbeit und Produktion deutscher und europäischer Unternehmen in China wirksam gefördert werden.
Im Vergleich zu dem starken Rückgang des weltweiten grenzüberschreitenden Handels ging das chinesisch-deutsche Handelsvolumen in den ersten drei Quartalen des Jahres nur geringfügig um zwei Prozent zurück. Die neuesten Statistiken aus Deutschland zeigen, dass die deutschen Exporte nach China im Oktober gar nicht mehr zurückgingen, sondern sich mittlerweile bereits erholt haben. China hat in diesem Jahr auch Frankreich überholt und wurde Deutschlands zweitgrößtes Exportziel. Anfang November fand in Shanghai die 3. China International Import Expo (CIIE) statt. Hier ist Deutschland nach wie vor der europäische Meister, wenn es um die Anzahl von Ausstellern und die Ausstellungsfläche geht. All dies macht deutlich, dass die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit auf soliden Grundlagen beruht. Für die Zukunft besteht noch großes Kooperationspotential.
Ende Oktober kündigte Chinas Führung auf der 5. Plenarsitzung des 19. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas an, dass China weitere Reformen fördern, sich von einem noch höheren Niveau aus weiter öffnen und zudem die Bildung eines neuen Entwicklungsmusters beschleunigen werde. Dieses neue Muster des dualen Kreislaufs sieht vor, dass sich der einheimische Markt mit den ausländischen Märkten ergänzt und sie sich gegenseitig fördern.