Meinung

Frieden ernährt, Unfriede verzehrt – aber nicht alle Staaten sind so weise Exklusiv

26.01.2021

Die beschriebenen außerordentlich positiven Entwicklungen sollen keineswegs bedeuten, dass China dabei in Abbildung des unsäglichen Mottos „America First“ nunmehr seinerseits eine Politik des „China First“ verfolgen würde. Ganz im Gegenteil! Vielmehr ist die chinesische Politik in dem besonderen Lichte des von Staatspräsident Xi seit Jahr und Tag verfolgten und namentlich vor vier Jahren in Davos der großen Weltöffentlichkeit bekannt gewordenen Leitmotivs einer „geteilten Zukunft“ der gesamten Menschheit zu sehen. Xi beschrieb, dass in unseren Tagen die Menschheit sich zu einer eng miteinander verflochtenen Gemeinschaft entwickelt habe. Und dementsprechend ruft er dazu auf: Wechselseitig Vertrauen zu fassen, sich bei der Hand zu nehmen und gemeinsam in eine gute Zukunft aufzubrechen. Dieser Eckpfeiler der chinesischen Politik wurde immer wieder in praktisches Handeln umgesetzt, auch im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie, in der bereits im vergangenen Jahr China weltweit mit medizinischen Produkten und insbesondere Schutzausrüstungen geholfen hat. Und aktuell laufen etwa die Produktionslinien in den Fabriken des Impfstoffherstellers Sinovac Biotech auf Hochtouren. Das Unternehmen hat sich große Mühe gegeben, um die Jahresproduktion auf 600 Millionen Dosen zu erhöhen. Seine Coronavirus-Impfstoffe wurden in eine ganze Reihe von Ländern exportiert, darunter Brasilien, die Türkei und Indonesien, die diese Hilfe Chinas mit großer Dankbarkeit entgegengenommen.


Über das politische Tagesgeschäft hinaus ist diese Idee der „geteilten Zukunft“ der Menschheit aber auch etwas, was zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Seins gehört. Der schweizerisch-deutsche Schriftsteller, Johann Peter Hebel, schrieb einmal eine kleine, weise Geschichte mit dem Titel „Das wohlfeile Mittagessen“, deren Tenor die Lehre ist: „Denn Frieden ernährt, aber Unfrieden verzehrt.“  Und diesen Tenor hat China schon immer gewissermaßen in seinem „staatlichen Gen“, nämlich den Gedanken der „Harmonie“. Ein prägendes Merkmal der chinesischen Vorstellungswelt war nämlich von jeher die Idee, dass sich der Kosmos in einem harmonischen Gleichgewicht befindet, das es zu erhalten und bei Bedrohungen wiederherzustellen gilt. Gleichermaßen wird Harmonie in den menschlichen Beziehungen angestrebt. Konflikte werden als Störung empfunden und man versucht sie nach Kräften zu vermeiden.


Dementsprechend war es auch ein „urchinesisches Verhalten“, dass alsbald nach der Amtsübernahme durch den neuen Präsidenten Biden in den USA China eine Hand zur Versöhnung ausgestreckt hat, um den – in meinen Augen alleine durch die Trump-Administration vom Zaune gebrochenen – die Welt in Atem haltenden Handelskonflikt zwischen den USA und China zu beenden. So erklärte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Hua Chunying, China sei stets der Auffassung, dass gute sino-amerikanische Beziehungen den grundlegenden Interessen beider Völker und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft dienten. Dies gelte nicht zuletzt hinsichtlich des Weltfriedens und der zukünftigen Entwicklung. Sie hoffe, dass die neue US-Regierung mit China daran arbeiten werde, den Dialog zu verbessern, Differenzen anzugehen, die Zusammenarbeit auszubauen und die sino-amerikanischen Beziehungen so rasch wie möglich zu normalisieren.


Dies ist eine Hoffnung, die sicher alle Menschen, die guten Willens sind, teilen. Leider habe ich einen entsprechenden guten Willen der US-Seite, auch unter einem Präsidenten Biden, nicht nachgespürt. Aus Bidens unmittelbarem Umfeld China als pietätlos bezeichnet wurde, weil es in zeitlichem Zusammenhang den aus seinem Amt scheidenden bisherigen US-Außenminister Pompeo und einige seiner Gehilfen mit Sanktionen belegte. Zur Erinnerung: Der ehemalige oberste „Diplomat“ von den USA war alles andere als ein Diplomat. Der rüde „wie die „Axt im Walde“ mit seinen Gegenübern umging. Das bekam auch Deutschland zu spüren, sei es in Sachen der Pipeline „Nordstream 2“, sei es in Sachen Iran oder etwa vor Jahresfrist der Deutsche Bundespräsident und der Außenminister auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Und Pompeo hatte als letzte Amtshandlung nichts anderes zu tun, als gegenüber China nochmals die „Büchse der Pandora“ zu öffnen. Aber nicht diesen Akt kritisierte das Biden-Umfeld, sondern dass China diese Bösartigkeit nicht widerspruchslos hinnahm. Auch weitere Signale verheißen nichts Gutes. So hat das Biden-Umfeld frühzeitig den Abschluss des EU-China-Investitionsabkommens kritisiert. Der verbale Umgangston der Biden-Administration wird verbindlicher werden, zugleich wird aber die Zielsetzung immer deutlicher, ein chinafeindliches Bündnis zu schmieden.


Wie auch immer: Chinas Wirtschaft hat ihre Kraft und Widerstandsfähigkeit auch unter den schwierigen Rahmenbedingungen der Pandemie unter Beweis gestellt. Der von den USA in Gang gebrachte Handelskonflikt hat dagegen namentlich den Interessen von den USA geschadet, wie auch ein kürzlich vom US-China Business Council veröffentlichter Bericht belegt: Er hat in den USA schätzungsweise 245.000 Arbeitsplätzen gekostet. Die neue US-Regierung sollte daher ernsthaft darüber nachzudenken, einen Weg der Verständigung und der Kooperation mit China zu finden. Denn wie heißt es doch in der oben zitierten Lebensweisheit: „Frieden ernährt, Unfriede verzehrt.“


Der Autor, Dr. jur. Michael Borchmann, ist Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D. und Senior Adviser der China International Investment Promotion Agency (CIIPA). Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: USA, Coronavirus,Pandemie,Wirtschaft