Interview

Macron: "Gemeinsam Antworten finden auf die drängenden internationalen Fragen" exklusiv

08.01.2018

Der erste Bereich betrifft unsere globale Agenda. Der Multilateralismus befindet sich in einer Krise. Wir müssen für eine neue Dynamik sorgen, indem wir auf Krisen durch Dialog antworten, den Klimawandel bekämpfen und die besten Regeln für den Handel festlegen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Frankreich und China, beides Mächte des Multilateralismus, die großen Wert auf ihre Unabhängigkeit legen, zusammen daran arbeiten können, die Situation zu verändern. Denn die Herausforderungen, denen wir begegnen müssen, vor allem dem Klimawandel, erfordern zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine globale Koordination.

 

Der zweite Bereich betrifft unsere bilaterale Agenda. China ist unser wichtigster Handelspartner in Asien. Wir sind in der zivilen Kerntechnik und der Luftfahrt strukturierte Partnerschaften eingegangen. Die bevorstehende Inbetriebnahme des weltweit ersten EPR-Kernreaktors in Taishan, eine französisch-chinesische Produktion, unterstreicht unsere Fähigkeit, gemeinsam ambitionierte Industrieprojekte durchzuführen. Die Schwerpunktverlagerung des chinesischen Wirtschaftswachstums in Richtung mehr Qualität und die neuen Erwartungen der Menschen in China eröffnen französischen Unternehmen neue Chancen in Bereichen, in denen sie eine international anerkannte Vorreiterrolle einnehmen: der Lebensmittelindustrie, der ökologischen Transformation, Gesundheit, Altenversorgung, der industriellen Modernisierung, Innovation, Tourismus, Finanzdienstleistungen, der Kunst zu leben und natürlich dem Sport. Das kann man daran sehen, wie unsere beiden Länder, mit zwei Jahren Abstand voneinander, 2022 und 2024 die Olympischen Jugendspiele ausrichten werden. Dies legt nahe, dass wir auch unseren Austausch in Wirtschaft und Handel neu justieren und verstärken müssen. Das ist eines der wichtigen Themen, die ich mit Präsident Xi Jinping besprechen möchte.

 

Kultur, Bildung und Wissenschaft müssen für unsere Partnerschaft eine zentrale Bedeutung haben. In Frankreich gibt es mehr als 37.000 Studenten aus China und Frankreich ist für chinesische Studenten das wichtigste nicht-englischsprachige Land außerhalb Asiens. Unsere Universitäten und Einrichtungen höherer Bildung sind durch mehr als 700 Abkommen miteinander verbunden. Zwei Millionen chinesische Touristen besuchen jedes Jahr unser Land. Frankreich hat die wichtigste chinesische Diaspora in Europa. Die zwischenmenschlichen Verbindungen sind der wahre Motor unserer Beziehungen. Mein Besuch erlaubt es uns, eine ganze Serie von Projekten anzuschieben, die unseren Studenten, Unternehmern und Künstlern mehr Chancen bieten, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Initiativen zu ergreifen.

 

Der dritte Bereich betrifft die Beziehungen zwischen Europa und China. Die Europäische Union ist der bedeutendste Handelspartner Chinas in der Welt, doch die europäisch-chinesische Partnerschaft ist nicht auf dem Niveau, auf dem sie sein sollte. Mein Projekt, ein starkes, souveränes und vereintes Europa zu schmieden, das seine Interessen und Werte in der Welt vertritt, wird Europa bei der Begegnung von globalen Herausforderungen zu einem natürlichen Partner Chinas machen. Ich hoffe auch, dass wir die europäisch-chinesische Partnerschaft in das 21. Jahrhundert fortschreiben können.

 

China.org.cn: Der 12. Dezember war der zweite Jahrestag des Klimaabkommens von Paris. Die Unterzeichnung spiegelt auch das gemeinsame Bemühen Chinas und Frankreichs im Kampf gegen den Klimawandel wider. China hat angekündigt, 20 Milliarden Yuan für einen "Chinesischen Fonds zur Süd-Süd-Kooperation gegen den Klimawandel" bereitzustellen und hat seine Bereitschaft bekräftigt, aktiv an den Klimaabkommen teilzunehmen. Aber nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump den Rückzug seines Landes vom Klimaabkommen bekanntgab, wies der Green-Climate-Fonds, der Entwicklungsländer dabei unterstützt, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, ein Defizit von zwei Milliarden US-Dollar auf. Welche Folgen wird Ihrer Meinung nach der amerikanische Rückzug auf die Umsetzung des Abkommens von Paris haben? Wie bewerten Sie Chinas Einsatz im Kampf gegen den Klimawandel?

 

Macron: Chinas Rolle im Einsatz gegen den Klimawandel ist unabdingbar. Ohne Chinas Engagement wäre der Beschluss von Paris nicht zustandegekommen. Und ohne die Standhaftigkeit Chinas nach dem Rückzieher von Donald Trump hätte das Abkommen keine Zukunft gehabt. Ich habe gesagt, was ich von seiner Entscheidung halte: ich respektiere sie, bedaure sie aber dennoch zutiefst. Frankreich und China haben gemeinsam eine sehr entschlossene Antwort formuliert: Das Abkommen von Paris ist nicht verhandelbar, wir werden es umsetzen wie geplant, gemeinsam mit jedem anderen, der sich nicht weigert, bei dem für die Menschheit so bedeutenden und drängenden Problem beiseite zu schauen. Jedes Land muss seinen Beitrag leisten, ohne jemals daran zu denken, der Kampf gegen den Klimawandel beträfe ihn nicht. Wir sind alle unmittelbar davon betroffen.

 

Nun müssen wir das Tempo beschleunigen. Dies war auch das Ziel des One-Planet-Gipfels, den Frankreich am 12. Dezember vergangenen Jahres organisiert hat mit dem Ziel, alle relevanten Akteure zusammenzubringen und Geldgeber zu mobilisieren. Zwölf neue und sehr konkrete Verpflichtungen sind beschlossen worden und sie werden sehr schnell umgesetzt werden, denn wir können nicht mehr länger warten. China wird seiner Verantwortung erneut gerecht. Es hat angekündigt, einen einheitlichen, nationalen CO2-Markt ins Leben zu rufen, der einen entschlossenen Schritt in Richtung einer weltweiten CO2-Preisgestaltung darstellt. Die Maßnahmen, die China ergriffen hat, um sein Ziel der "ökologischen Verbesserung" zu erfüllen, sind beeindruckend. Wir begleiten diese Transition, die im Einklang mit den tief gehegten Erwartungen des chinesischen Volkes steht, mit Hilfe der französischen Entwicklungsagentur. 25 von 30 Projekten, die seit Beginn der Aktivitäten vor 15 Jahren finanziert worden sind, hatten direkt den Kampf gegen den Klimawandel zum Inhalt. Die Ausgaben haben eine Milliarde Euro überschritten, mit beachtlichen Ergebnissen, darunter die Errichtung eines Biomassekraftwerks in Yichun, die Wärmesanierung öffentlicher Gebäude in Wuhan und die Konzeption eines französisch-chinesischen Ökonachbarschaftsviertels in Chengdu.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Macron, China, Besuch, EU, Xi Jinping