Coronavirus in Europa

Warum hat man nicht frühzeitig von China gelernt? Exklusiv

19.03.2020

von Michael Borchmann*


„Wir haben bis jetzt wahnsinnig viel Zeit verschlafen.“ Diese drastischen Worte gebrauchte Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am vergangenen Sonntagabend in der deutschen TV-Gesprächsrunde "Anne Will" von ARD. Und weiter: Bei Bekanntwerden der ersten Fälle in China hätte Europa tätig werden müssen. Spätestens die Rückreisewellen nach den Winterferien hätten ihr Übriges getan. „Ein Kind in Bayern in der Schule hat in acht Wochen 3.000 Menschen infiziert“, erläuterte der Wissenschaftler. Das Virus verbreite sich in einer exponentiellen Kurve. Ein halbes Prozent der 3.000 stürbe. Das seien 15 Menschen. Das Virus verhalte sich wie ein Uhrwerk. So wären frühzeitig Einreisekontrollen und Kontrollen im Land angezeigt gewesen. Nun aber sei es „eine Minute vor 12“ und „die letzte Verteidigungslinie der Mensch selbst“.


Und die Warnung von Kekulé war nicht neu. Bereits drei Wochen zuvor hatte der Virologe im „Deutschlandfunk“ gewarnt, der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn unterschätze die Gefahr durch Coronavirus. Das Bundesgesundheitsministerium stelle das Virus weiterhin als harmloser als die Grippe dar. Allerdings liege die Sterblichkeit bei der Grippe bei etwa 0,1 Prozent, beim neuartigen Coronavirus hingegen zwischen 0,5 und 1,5 Prozent. „Das heißt, das Virus ist für denjenigen, der die Infektion bekommt, zehn Mal gefährlicher“, hatte der Virologe geäußert.


Das Luftbild vom 1. Februar 2020 zeigt die Baustelle des Huoshenshan (auf Deutsch: Feuergott-Berg)-Krankenhauses in Wuhan in der zentralchinesischen Provinz Hubei. 


Und in der Tat: Das bedrohliche Geschehen in China sowie die massiven und entschlossenen Bekämpfungsmaßnahmen der chinesischen Staatsführung waren auch in Deutschland und überhaupt in Europa hinlänglich bekannt. Aber von einem zielgerichteten und entschlossenen Handeln der Akteure keine Spur.

Ende Januar noch hatte der deutsche Gesundheitsminister betont: „Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen bleibt in Deutschland weiterhin gering”. Anfang Februar sah er angesichts des bisherigen Verlaufs der Coronavirus-Erkrankungen ausreichend gerüstet. „Wichtig ist: Für diese Situation jetzt haben wir Intensivstationen, haben wir ausreichende Isolierstationen und Zimmer, haben wir die ausreichende Kapazität, die wir brauchen. “Und Ende Februar hat er sich trotz des sich weiter ausbreitenden Coronavirus gegen eine sofortige Schließung der deutschen Grenzen ausgesprochen. „Wir sind gemeinsam mit allen Gesundheitsministern aus der Region zu dem Ergebnis gekommen, zu diesem Zeitpunkt wäre eine Grenzschließung oder auch Einschränkung nicht verhältnismäßig“. Eine Absage erteilt wurde auch einem Verbot von Großveranstaltungen oder auch einer Absperrung von Infektionsgebieten.


Auch nachdem die dramatischen Erkrankungsverkäufe in Italien, dann in Spanien, Frankreich, der Schweiz und schließlich in österreichischen Ski- und Feiergebieten ebenso wie die Infektionslage in Deutschland immer bedrohlichere Formen annahmen, gab es immer noch viel Wirrwarr unter den staatlichen Akteuren. So kündigten einige Bundesländer frühzeitig die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten an, während andere sehr zögerlich reagierten und erst unter dem Druck von Medien und öffentlicher Meinung „zum Jagen getragen werden mussten“.Während ein Bundesland sofort seine Grenze zu Frankreich schloss, wollte ein anderes die Grenze aus „freundschaftlichen Gründen“ offen halten, knickte aber dann aus Sorge vor dem Druck der Öffentlichkeit ein. Und ein weiteres Beispiel: Am 11. März noch vormittags verkündete der Frankfurter Gesundheitsdezernent, ein internationales Fußballspiel könne tags darauf vor 50.000 Zuschauern stattfinden, am Abend desselben Tages erfolgte dann wiederum – wohl auch auf Grund des Druckes der Landesregierung, der Zuschauerausschluss.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Deutschland,China,Coronavirus,Spahn,Merkel