Eine Chefsache im gemeinsamen Interesse
Rückblick auf die chinesisch-deutschen Beziehungen 2021 Exklusiv
Negative Wahrnehmung hat tiefe Spuren hinterlassen
Im März hat das Europäische Parlament nach den chinesischen Gegensanktionen gegen Europa die Ratifizierung des umfassenden Investitionsabkommens ausgesetzt. Das ist ein klassischer Fall der Ideologisierung normaler internationaler Beziehungen nach dem Muster des Kalten Krieges, der die pragmatische Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland sowie der EU substanziell beeinträchtigt hat.
Auch in Deutschland erheben sich langsam die Forderungen nach mehr Vernunft in der deutschen Außenpolitik. In einem Interview Anfang Dezember warnte beispielsweise der Altbundeskanzler Gerhardt Schröder, es sei ein Irrtum zu glauben, am grünen Wesen soll die Welt genesen. Der Vers von Emanuel Geibel könnte auch so modernisiert werden: „Ein Irrtum zu glauben, am deutschen grünen Wesen soll die Welt genesen.“
Optimismus für die Zukunft
Die Realität der chinesisch-deutschen Beziehungen 2021 berechtigt aber trotz dieser Herausforderungen auch zu einem optimistischen Blick in die Zukunft. So hat das bilaterale Handelsvolumen zwischen China und Deutschland in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 170 Milliarden US-Dollar mit einem Wachstum von 27 Prozent erreicht und könnte damit voraussichtlich für das ganze Jahr einen neuen Rekord aufstellen. Heute ist das bilaterale Handelsvolumen an einem einzigen Tag mehr als doppelt so hoch wie das in einem ganzen Jahr zu Beginn der diplomatischen Beziehungen in den 1970er Jahren. Innerhalb der EU ist Deutschland für China der größte Handelspartner bzw. Investor und China ist Deutschlands größter Handelspartner weltweit. Der Handel mit Waren und Dienstleistungen ist nicht nur ein wechselseitiges Befriedigen von Bedürfnissen, sondern auch eine konkrete Manifestation der gesamten gesellschaftlichen Interaktion zwischen den beiden Volkswirtschaften in der Produktions- und Lebensweise. Mit anderen Worten ist die Handelsbeziehung eine materialisierte Form der gesellschaftlichen Beziehungen. Man kann deshalb mit Zuversicht davon ausgehen, dass die Beziehungen zwischen China und Deutschland auf einer soliden materiellen und gesellschaftlichen Grundlage stehen.
Nach mehr als 20 Tagen Fahrt durch fünf Länder kommt ein China-Europa-Güterzug mit mehr als 1.000 Tonnen Polyvinylalkohol (PVA) von Sinopec Chongqing SVW Chemical Co., LTD. in Duisburg an. (Foto vom 24. Dezember 2021, SVW/ Xinhua)
2021 war eines der spannungsvollsten Jahre in der Geschichte der chinesisch-deutschen Beziehungen, vielfältig in der Realität, komplex in der Wahrnehmung. Die Grundlage sieht zwar weiterhin solide aus, aber eine gute Weiterentwicklung ist kein Automatismus. Um dies zu erreichen, sind stattdessen gemeinsame Anstrengungen von beiden Seiten gefordert. Es ist daher gut so, dass diese Beziehungen eine Chefsache zwischen den beiden Ländern bleiben.
*Der Autor ist Professor für Deutschland- und Europastudien, Shanghai International Studies University. Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.