Zugunglück in Indien: Symptomatisch für Probleme im Industrialisierungsprozess

05.06.2023

Erneut hat sich in Indien ein schweres Zugunglück ereignet, bei dem fast 300 Menschen ums Leben kamen. Der tragische Vorfall verdeutlicht die Dichotomie im Industrialisierungsprozess des Landes: Einerseits ist man in der Lage, fortschrittliche Raketen herzustellen, andererseits ist man jedoch in vielen Bereichen häufig noch nicht in der Lage, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

(Foto von VCG)

Bei einem schrecklichen Zusammenstoß dreier Züge in Indien sind nach offiziellen Angaben vom Samstag mindestens 275 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt worden.

Der indische Industriesektor hat in den letzten Jahren ein beträchtliches Wachstum erfahren und dadurch globale Unternehmen wie Apple und Google angelockt. Infolgedessen haben einige Medien und Forschungsinstitute in den USA und Europa jüngst sogar Debatten darüber angestoßen, ob Indien China als weltweit führendes Produktionszentrum überholen oder gar ablösen könnte.

Indien hat in den letzten Jahren erhebliche Investitionen in die inländische Infrastruktur getätigt und rasche Fortschritte bei der Elektrifizierung der Eisenbahnen erzielt. Diese Erfolge unter der Regierung Narendra Modi sind sicherlich bemerkenswert und durchaus dafür geeignet, um mit ihnen zu prahlen. Jedoch verdeutlicht dieses Zugunglück einmal mehr die Zwiespältigkeit des indischen Industrialisierungs- und Entwicklungsprozesses.

Einerseits hat Indien bewiesen, dass es in der Lage ist, fortschrittliche Raketen und Flugkörper zu produzieren, und sich damit als potenzielles Zentrum für die High-Tech-Produktion positioniert. Andererseits ist Indiens industrielles Fundament nach wie vor relativ schwach und birgt stets die Gefahr von Rückschlägen und Rückschritten. Natürlich verläuft die industrielle Entwicklung in keinem Land völlig reibungslos. Viele Entwicklungsländer, darunter auch China, sind bei der Entwicklung ihrer Eisenbahnsysteme auf Herausforderungen und Hindernisse gestoßen. Die Situation in Indien ist jedoch einzigartig: Das indische Eisenbahnnetz war einst eine Quelle des Stolzes für das britische Empire, und zur Zeit der Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 galt es als besonders wertvoll für die weitere industrielle Entwicklung.

Es ist erstaunlich, dass mehr als 70 Jahre nach der britischen Kolonialzeit die indische Eisenbahn einen so tragischen Unfall erlebt hat. Ist dies auf menschliches Versagen zurückzuführen oder handelt es sich um ein systemisches Problem?

Es heißt, dass die Zahl der Zugunfälle in Indien in den letzten Jahren zurückgegangen sei. Laut den Statistiken des indischen National Crime Statistics Bureau wurden im Jahr 2021 jedoch immer noch fast 18.000 große und kleine Zugunfälle gemeldet. Glücklicherweise erstreckt sich diese einzigartige „Dichotomie“ (Zweigliedrigkeit) des „Made in India“ nicht auch noch auf die Herstellung von Raketen und Flugkörpern. Die Folgen wären unvorstellbar, wenn sich diese Probleme in diesen hochentwickelten militärischen Bereichen auch nur geringfügig ausweiten würden.

Die bei diesem Zugunglück zutage getretenen Probleme machen allerdings bereits deutlich, welche Fragen in Indiens nächster Phase der Industrialisierung angegangen werden müssen. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Probleme nicht schnell und reibungslos gelöst werden können, wenn man sich allein auf Indiens stolzes demokratisches politisches System verlässt.

Was Indien derzeit braucht, ist nicht nur Beifall und Lob, auch nicht das Streben, andere Länder einzuholen oder zu übertreffen. Indien darf sich nicht vom Westen strategisch „einlullen“ lassen, sondern muss sich stattdessen darauf konzentrieren, die Qualität seiner Bevölkerung durch solide und praktische Maßnahmen zu verbessern.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Zugunglück,Indien,Industrialisierung