Geopolitische Spannungen trüben gute Aussichten

AHK: 55 Prozent der deutschen Unternehmen wollen weiter in China investieren Exklusiv

09.06.2023

von Ren Bin, Beijing

Laut einer Umfrage der Deutschen Handelskammer wollen mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen auch in den kommenden Jahren in China investieren. Allerdings ist die Stimmung unter ihnen weniger optimistisch als zunächst erhofft. Ein wichtiger Grund sind die anhaltenden geopolitischen Spannungen, vor allem mit den USA.

55 Prozent der deutschen Unternehmen planen, ihre Investitionen in China in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen, vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Hauptgrund sei, dass die Unternehmen in China wettbewerbsfähig bleiben wollen, berichtete Jens Hildebrandt, Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK), am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Beijing. Die AHK hatte Mitte Mai eine Blitzumfrage unter 288 deutschen Unternehmen durchgeführt, die in der zweitgrößten Volkswirtschaft aktiv sind.

Vertreter der deutschen Auslandshandelskammer bei der Pressekonferenz in Beijing. (Foto: Ren Bin/ China.org.cn)

Allerdings sei die Stimmung der befragten Unternehmen nach dem Abschluss der chinesischen Covid-19-Politik offenbar „weniger optimistisch als ursprünglich erhofft“, erklärte Hubertus Troska, Vorsitzender der Auslandshandelskammer (AHK) in China. Vor der Pandemie waren laut Umfragen der AHK über 70 Prozent der Unternehmen noch bereit, ihre Investitionen in China auszuweiten.

Geopolitische Spannungen, vor allem mit den USA, trüben die Aussichten in China

Ein wichtiger Grund für die Zurückhaltung der deutschen Unternehmen seien auch die anhaltenden geopolitischen Spannungen, die laut Troska das Geschäft erschweren. Dabei gehe es in erster Linie um den Konflikt zwischen China und den USA, vor allem mit Blick auf die Ukraine-Krise und die Taiwan-Frage.

Seit 2018 werden immer mehr chinesische Unternehmen von den USA mit Sanktionen belegt. Im April dieses Jahres standen schon mehr als 1.100 Unternehmen, Institutionen oder Einzelpersonen aus der Volksrepublik auf der schwarzen Liste der USA. Trotz Chinas Klagen über „wirtschaftliche Schikane“ wollen die USA ihr aggressives Vorgehen nicht einstellen.

Am 30. Mai kündigte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen 13 chinesische Unternehmen und Einzelpersonen an, die angeblich „am grenzüberschreitenden Verkauf von illegalen Drogenproduktionsanlagen beteiligt“ seien. Tatsächlich haben diese Unternehmen jedoch lediglich Ausrüstungen wie Tablettenpressen und Formen exportiert, die für die Herstellung von Alltagsgütern für legale Zwecke verwendet werden. Die chinesische Seite warf den US-Behörden vor, ihrer Verantwortung, die Verwendung von Importgütern für illegale Zwecke zu verhindern, nicht nachgekommen zu sein. Die Sanktionen hätten die Zusammenarbeit zwischen den USA und China bei der Drogenbekämpfung nur erschwert, so die chinesische Botschaft in Washington.

Auch in der Straße von Taiwan spitzt sich die Lage weiter zu. US-Kriegsschiffe durchqueren in letzter Zeit immer wieder die Meerenge zwischen dem chinesischen Festland und der Insel. Erst beim Shangri-La-Dialog am vergangenen Sonntag hat der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu diese Patrouillen als Provokation scharf verurteilt.

Der chinesische Staatskommissar und Verteidigungsminister Li Shangfu hält eine Rede während des 20. Shangri-La-Dialogs in Singapur. (Foto vom 4. Juni 2023: Roslan RAHMAN/ Xinhua/ VCG)

China ist heute aber nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt für deutsche Unternehmen. Für viele Unternehmen ist China auch ein Standort, an dem sie ihre Produkte entwickeln und produzieren. Auch wenn kaum ein deutsches Unternehmen angibt, direkt von den Wirtschaftssanktionen betroffen zu sein, sorgen die Spannungen für Verunsicherung.

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass die Geschäftsentwicklung durch die mangelnde Effizienz der deutschen Auslandsvertretungen in der Volksrepublik beeinträchtigt werde. 76 Prozent der befragten Unternehmen sollten über Engpässe bei der Erteilung deutscher Visa geklagt haben: Geschäftsreisen und dringend benötigte Fortbildungen ihrer chinesischen Mitarbeiter in Deutschland könnten beispielsweise nicht durchgeführt werden, weil Visa nicht zeitnah bearbeitet würden.

Positive Erwartungen bei Regierungskonsultation

Wie es bei der Pressekonferenz hieß, hatten die IHK-Vertreter während ihres Besuchs in Beijing politische Gespräche unter anderem mit der chinesischen Staatlichen Reform- und Entwicklungskommission und dem chinesischen Außenministerium geführt. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, bewertete den Austausch positiv. Laut Umfrage wünschten sich die deutschen Unternehmen unter anderem mehr Unterstützung der chinesischen Seite und den Abbau von Barrieren auf dem Markt. Der DIHK-Präsident sah in den Gesprächen die Bereitschaft der chinesischen Behörden, sich der Probleme anzunehmen.

Ende vergangenen Jahres hatte Adrian in einem DPA-Interview vor einer 180-Grad-Wende in den Beziehungen zu China gewarnt. Damals arbeitete das Auswärtige Amt an einem Entwurf für eine neue China-Strategie, der selbst aus Sicht des Kanzleramtes „zu scharf im Ton“ war. In den Leitlinien des von Habeck geführten Wirtschaftsministeriums hieß es übrigens, dass auch deutsche Unternehmen mehr über ihre Geschäfte in China offenlegen müssten, was für sie eine große Belastung darstellen könnte. Außerdem sollen strengere Investitionsregeln eingeführt und staatliche Garantien abgeschafft werden. 2022 hatte das Wirtschaftsministerium Volkswagen bereits neue Investitionsgarantien für sein China-Geschäft verweigert. Zwar hat dies den Automobilhersteller nicht davon abgehalten, in China zu expandieren, doch kann dies von deutschen KMU in China durchaus als Drohgebärde aufgefasst werden.

Der neue Maxton GTE, das 20-millionste Fahrzeug des deutsch-chinesischen Joint Ventures FAW-Volkswagen, läuft im Werk Changchun vom Fließband. (Foto vom 30. März 2020, Xinhua/ Zhang Nan)

In der Pressekonferenz bekräftigte der DIHK-Präsident, dass er an seiner damaligen Warnung festhalte. Aber er sei „zuversichtlich“, dass die 7. Regierungskonsultationen mit China, die im Juni in Berlin stattfinden, zu guten Ergebnissen führen werden. Der Bundeskanzler habe klar signalisiert, dass China als politischer Raum und Wirtschaftsraum für Deutschland eine entscheidende Rolle spiele, „und dass das auch so bleiben soll“, zitierte er.

Der 66-jährige Unternehmer habe vor einigen Monaten an einem Gespräch zwischen Baerbock und Vertretern der deutschen Wirtschaft teilgenommen. Dabei habe sich die Außenministerin auch für weitere Investitionen deutscher Unternehmen in China ausgesprochen. Adrian hoffe, dass die wirtschaftlichen Erfolge der Vergangenheit auch die politische Zukunft beeinflussen. „China ist der wichtigste Handelspartner für deutsche Unternehmen. Und es ist ein Handelspartner, bei dem wir vor allem das Wort Partner betonen“, begründete er.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: AHK,China,Unternehmen,Aussichten