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21. 05. 2009 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

City of Life and Death oder die Odyssee eines Regisseurs

Der Film "Nanjing! Nanjing! (City of Life and Death)" von Regisseur Lu Chuan zeigt die Emotionen beider Kriegsparteien während des Nanjing-Massakers vor 72 Jahren. Diese neue Art der Aufarbeitung freut jedoch nicht alle Zuschauer in China.

Eigentlich wollte Lu Chuan bloß durch einen Bach waten, doch er fand sich sogleich im tiefen Ozean der Geschichte. "Ich unterschätzte die Größe und Empfindlichkeit dieses Teils der Geschichte", sagte er einen Tag vor der China-Premiere seines Filmes "Nanjing! Nanjing!". Die zehn Millionen Euro teure Verfilmung des Nanjing Massakers kostete ihn vier Jahre Arbeit. "Eigentlich wollte ich Anfangs bloß einen Film drehen, der der Welt zeigt, wie die Chinesen den Invasoren Widerstand geleistet hatten. Ich hätte nie gedacht, dass dies so schwer sein könnte", erzählte der 38-Jährige Regisseur, welcher vier Jahre in der Nanjinger Militärakademie studiert hatte, bevor er sich dem Filmemachen widmete.

Das Nanjing Massaker wird von den meisten Chinesen als dunkelstes Kapitel ihrer Geschichte gesehen. Die japanische Armee schlachtete dabei fast 300.000 chinesische Zivilisten und unbewaffnete Soldaten, bevor sie Nanjing, die damalige Hauptstadt der Republik China, im Dezember 1937 unter ihre Kontrolle brachten. Die Thematik belastet die Beziehungen zwischen Japan und China auch heute noch. Viele Chinesen glauben, dass Japan nicht die volle Verantwortung für den Vorfall übernommen und sich noch nicht ausreichend entschuldigt hat. Tatsächlich sagen namhafte japanische Historiker und Politiker, dass das Massaker übertrieben dargestellt würde oder sogar frei erfunden sei.

Lu sagte, dass ihm die Idee für den Film nach der Fertigstellung seines zweiten Filmes "Kekexili" im Jahr 2004 kam. Kekexili erzählte von Menschen, die ihr Leben riskieren, um die vom Aussterben bedrohte tibetische Antilope vor Wilderern zu schützen, und erhielt sehr gute Kritiken. Der Regisseur meinte: "Die Chinesen wurden im Massaker oft als schwache Opfer dargestellt. Das ist nicht unbedingt wahr. Es gab Widerstand! Dieser Teil der Geschichte wird oft vergessen, denn manche Menschen haben Angst, dass der Widerstand das Massaker legitimiert haben könnte. Aber das ist Unsinn, Widerstand gegen Gewalt gibt doch nicht das Recht auf ein Massaker." Nach über drei Jahren intensiver Nachforschungen änderte Lu aber seine Ansichten. Die fertige Version ist vollkommen unterschiedlich von der ursprünglichen Idee, sowohl bezüglich der Geschichte wie auch der Perspektive. Lu erzählte: "Zuerst wollte ich das Buch "Das Massaker von Nanjing" von Iris Chang verfilmen. Doch dann begann ich mich, mich für die Gesetze der Kriegsführung zu interessieren, da ich wissen wollte, wie man Menschen zu so etwas bewegen konnte."

Verschiedene Perspektiven.

Im schwarz-weißen Film wollte Lu das Massaker in den Augen verschiedenster Leute darstellen. So wird beispielsweise das Schicksal des japanischen Soldaten Kakokawa, welcher der kaiserlichen Armee aus Vaterlandstreue beitrat, die Schrecken des Krieges sah und sich schließlich in Nanjing das Leben nahm, gezeigt. Der Ansatz führte zu verschiedensten Reaktionen von Seiten der Filmkritiker, Medien und Überlebenden des Massakers. Die meisten glaubten jedoch, dass die Geschichte des japanischen Soldaten überzeugend ist und dem Zuschauer tiefere Einblicke in den Krieg gewährt. "Ich verließ den Vorführungssaal mit Tränen in den Augen. Es war heftiger Stoff", meinte Bey Logan, Vizepräsident der Asienabteilung des amerikanischen Filmstudios Weinstein. "Der Film zeigt die Geschichte aus der Sicht der Menschen, darum geht er einem so nahe. Natürlich wäre ein typischer Film über den heldenhaften chinesischen Soldaten, der gegen den bösen japanischen Soldaten kämpft, episch. Aber er wäre nicht annähernd so emotional anspruchsvoll wie dieser es ist", so Logan.

Andere waren jedoch mit der Darstellung der japanischen Soldaten, die auch unter dem Krieg litten, nicht zufrieden. So meinte Zhang Zhenqing, ein 87-jährige Nanjinger, der das Massaker miterlebt hatte: "Die Verbrechen der Japaner waren viel schlimmer, als das was hier gezeigt wurde. Ich kann das nicht akzeptieren, besonders nicht die Geschichte dieses Kakokawas. Vielleicht ist der Regisseur Lu Chuan auch einfach zu jung, um die Gefühle von uns Überlebenden zu verstehen." Der Film zog auch die Aufmerksamkeit von Akademikern auf sich. So sagte auch Liu Jiangyong, Professor für chinesisch-japanische Beziehungen an der Tsinghua-Universität, dass er den Film gerne sehen würde. "Die Geschichte kann immer aus verschiedenen Perspektiven interpretiert werden; je nach dem, was man sagen will. Ich bin mir sicher, dass die Familien der japanischen Soldaten im Krieg auch viel durchmachen mussten und somit eine gewisse Opferrolle inne hatten. Doch die japanischen Soldaten selber litten nicht – sie waren die Täter", beharrte Liu. Der Regisseur jedoch sagte Angesichts der Kritik, dass er bloß die Möglichkeit für eine bessere Aufarbeitung der Geschichte liefern wollte. "Die japanischen Soldaten werden in chinesischen Filmen oft als Teufel dargestellt. Wir machen solche Filme seit der Gründung der Volksrepublik, aber sie wurden in der Welt natürlich nie ernst genommen und haben folglich auch nichts verändert. Der Welt weiterhin die Ohren voll zu heulen wie in der Vergangenheit bringt doch nichts. Wir müssen tiefer forschen um zu verstehen, wie es zum Krieg und dem Massaker kommen konnte", so Lu.

Die Schauspieler.

Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, Schauspieler für die Rollen der japanischen Soldaten, der Politiker und der Prostituierten zu finden. "Zuerst konnten wir sieben oder acht berühmte japanische Schauspieler finden, doch ihre Agenturen hielten sie vom Spielen in meinem Film ab. Darum suchten wir uns ein paar weniger Bekannte – doch auch bei ihnen dauerte es, bis wir sie überzeugen konnten", so der Regisseur. Er sagte, dass er bewusst Schauspieler rekrutierte, die noch nie in China waren. Er wollte, dass sie denselben Kulturschock erfahren, wie die japanischen Soldaten, als sie das erste Mal das chinesische Festland betraten. Die meisten der japanischen Schauspieler wussten zudem wenig bis nichts über dieses Kapitel der Geschichte. Sie wussten zwar von dem Massaker, teilten aber Lus Meinung darüber, wie viele Chinesen auf welche Weise getötet wurden, nicht. "Ich wartete, bis sie die Fragen selbst beantworten konnten. Gehirnwäsche war nie eine Option", sagte er. Über 100 Japaner spielten in dem Film. Manche von ihnen hätten fast einen Nervenzusammenbruch erlitten. So erzählte Lu: "Sie weinten und wollten abbrechen wegen der Gräuel des Massakers, wie dem Vergewaltigen und Morden. Sie wurden fast verrückt. Aber ihr Schmerz und ihre Verwirrung waren genau das, was ich in dem Film zeigen wollte."
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Quelle: Xinhua

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