Bilateraler Austausch auf intellektueller Ebene soll gestärkt werden Exklusiv
Von Ren Bin und Wang Ran, Beijing
Anlässlich des 45. Jubiläums der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Österreich hat die österreichische Botschafterin in China, MMag. Dr. Irene Giner-Reichl, China.org.cn ein Exklusivinterview gegeben. Sie sprach über die bilateralen Beziehungen und die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen und sprach sich dafür aus, den People-to-People-Austausch und ein Netzwerk der jungen Führungskräfte zu intensivieren.
Die österreichische Botschafterin in China, MMag. Dr. Irene Giner-Reichl, im Interview mit China.org.cn. (Foto von Ren Bin)
China.org.cn: Sehr geehrte Frau Botschafterin, vielen Dank, dass Sie sich für ein Interview bereit erklärt haben. In diesem Jahr wird das 45-jährige Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Österreich gefeiert. Welche Aktivitäten hat die österreichische Botschaft dafür geplant?
Irene Giner-Reichl: Wir haben einige Aktivitäten geplant. Die interessanteste vielleicht war die erste Durchführung eines Dialogs über philosophische und religiöse Fragen zwischen China und Österreich Mitte Mai in Wien. Es ging um einige Fragen insbesondere der Staatsphilosophie des Daodejing, eine der Grundlagen des Daoismus. Sechs oder sieben Experten jeweils aus China und Österreich haben sich zwei Tage lang über die Staatslehre des Daodejing ausgetauscht. Der Dialog wird im Jahr 2017 in China fortgesetzt werden. Dieser Dialog über Zivilisationen, Kulturen und Religionen ist einer der Schwerpunkte unserer Außenpolitik.
Wir haben auch einige kulturelle Veranstaltungen hier in China durchgeführt, zum Beispiel Ausstellungen der österreichischen Künstlerin Bianca Regl in zwei Museen in Beijing im März und eine Sonderausstellung des österreichischen Künstlers Clemens Krauss im Museum of Contemporary Art in Chengdu im März und April. Am Vorabend des 45. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen fand in der Residenz ein Österreichisch-Chinesisches Literaturseminar in Zusammenarbeit mit dem People´s Literature Magazine statt.
Darüber hinaus sind Konzerte zahlreicher österreichischer Ensembles und Orchester in China geplant. Ein Highlight davon ist die Tournee der Wiener Sängerknaben.
Seit 2012 sind Sie nun vier Jahre als Botschafterin Österreichs in Beijing tätig. Wie würden Sie die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern im Laufe dieser Jahre beschreiben? Welche Erfolge konnten verzeichnet werden?
Die Beziehungen haben sich sehr intensiviert. Das hängt vor allem damit zusammen, dass es einen regen Besuchsaustausch gab. Ein Höhepunkt war der Besuch von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl im Herbst 2014. Ein weiterer Höhepunkt war der zweite Staatsbesuch von Bundespräsident Heinz Fischer im März 2015. Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Bundespräsident während seiner Amtsperiode zweimal einen Staatsbesuch in China abstattet. Das ist auch ein Ausdruck für die tiefe Verbundenheit des Bundespräsidenten Fischer mit China.
Die Handelsbeziehungen haben sich sehr gut weiterentwickelt. Österreich ist das Gründungsmitglied der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank. Die Bank of China hat seit Anfang März eine Filiale in Wien. Das waren sehr wichtige Schritte. Die Tourismuszahlen sind sehr positiv. Im Jahr 2015 gab es gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg von 43,6 Prozent der Ankünfte aus China in Österreich. Die Flugverbindungen verbessern sich auch. Neben den Direktflügen, die es bisher gibt, zwischen Wien und Beijing mit der Austrian Airline (AUA) und der Air China (CA), kommen jetzt zusätzlich Direktflüge zwischen Wien und Shanghai (seit April) und Wien und Hongkong (ab September) hinzu. Vor kurzem sind die Verhandlungen der beiden Justizministerien über ein Rechtshilfeabkommen abgeschlossen worden, das im Juli unterzeichnet werden wird. Die Zusammenarbeit der Städte intensiviert sich auch. Ein Beispiel sind Chengdu und Wien. Chengdu hat einen neuen Stadtteil Tianfu Xinqu und Wien Aspern. Die Entwicklungsprojekte der beiden Städte sind eine gute Gelegenheit für beide Seiten miteinander zu kooperieren. Und ein großer Bereich ist der Wintersport. China bereitet sich aktiv auf die Winterolympiade 2022 vor. Österreich ist ein Land, das im alpinen Wintersport viel vorzuweisen hat. Da können wir sicher gut zusammenarbeiten.
Als die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder 1971 aufgenommen wurden, was wussten Sie damals über China? Als Sie 2012 das Amt antraten, wie viel wussten Sie über China? Heute sind Sie schon vier Jahre in China, wie sehen Sie China heute? Hat sich Ihr China-Bild inzwischen verändert?
1971 war ich noch im Gymnasium. Da hatte ich nicht viele Kenntnisse über China. Als ich 1995 zur vierten UN-Weltfrauenkonferenz zum ersten Mal nach China kam, hat das interessante Eindrücke bei mir hinterlassen. Wir haben die Terrakotta-Armee in Xi‘an gesehen, waren in Guilin und bekamen Einblicke in die ländlichen Gebiete. Seit ich in China bin, weiß ich, dass China sehr viele Gesichter hat. Beijing ist nicht Shanghai, Shanghai ist nicht Guangzhou. Die ländlichen Gebiete haben wieder andere Charakteristika als die großen Städte. Und alle sechs Monate verändert sich irgend etwas ganz Wesentliches in China. Es ist für mich eine unglaublich spannende Zeit, mit zu verfolgen, wie die Transformationen in China stattfinden.