Kooperation in Krisenzeiten

EU und China: Verständnis und Respekt sind die Grundlage für Erfolg Exklusiv

05.02.2021

Von Tian Siyue


Die Corona-Pandemie hat unser Leben fest im Griff und die Weltwirtschaft in große Schwierigkeiten gestürzt. Trotzdem hat das Handelsvolumen zwischen Europa und China im vergangenen Jahr weiter zugelegt. Die Volksrepublik hat unter anderem für ihre künftige Planungsperiode neue Ziele angesetzt. Rudolf Scharping, der ehemalige deutsche Bundesverteidigungsminister und RSBK-Präsident, der gleichzeitig viel Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit China hat, wirft in einem Gespräch mit China.org.cn einen Blick auf die bilaterale Kooperation.

 


China.org.cn: Xuchang in der zentralchinesischen Provinz Henan hat trotz seiner Lage im Landesinneren gute Kooperationsbeziehungen zu seinen Partnern in Deutschland. Bislang sind zwischen beiden Seiten über 80 Kooperationsverträge abgeschlossen worden. 2018 ist in dieser Stadt sogar ein deutsch-chinesischer Industriecluster der kleinen und mittleren Unternehmen zustande gekommen. Ihre Firma, RSBK Strategie Beratung Kommunikation AG, hat bereits im Jahr 2015 einen Kooperationsvertrag mit dieser Stadt unterzeichnet. Dies wird in Xuchang auch als der erste Schritt der Kooperation zu Deutschland bezeichnet. Warum haben Sie sich damals entschieden, eine Kooperation mit dieser Stadt einzugehen? Wie sind die Projekte bis jetzt gelaufen?

 

Rudolf Scharping: Die Provinz Henan in Zentralchina ist in Deutschland bzw. in Europa noch zu wenig bekannt, obwohl die zentrale Lage, die Infrastruktur und die vielversprechende Mischung aus traditionellen und neuen Industrien für eine Zusammenarbeit große Vorteile bieten. Genau das sind auch die Chancen und Herausforderungen für eine Stadt wie Xuchang – dort leben mehr als 5 Millionen Menschen, also mehr als in einem mittleren deutschen Bundesland. Entsprechend sind die Unternehmen vielfältig, aber auch die Einrichtungen im Bildungswesen, im Gesundheitswesen, im Tourismus oder in der Kultur. Immerhin ist ja Xuchang  eine sehr wichtige Stätte auch der chinesischen Geschichte vor allem aus der Zeit der „Drei Reiche“. Es kommt eine aufgeschlossene, und starke politische Führung hinzu, die an der Zusammenarbeit mit Deutschland interessiert ist. Das sind sehr gute Voraussetzungen. Bei RSBK sind wir sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit und vor allem mit den erreichten Erfolgen. Gemeinsam mit der politischen Führung von Xuchang und mit den Unternehmen, aber auch im Bereich der beruflichen Bildung werden wir in diesem Jahr und in den nächsten Jahren noch viel mehr erreichen. Zum Beispiel ist Xuchang eine der elf Pilotstädte in China für das Thema „No Waste City“ und beim Aufbau einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft können deutsche Unternehmen und Technologien ganz erhebliche Leistungen erbringen, gemeinsam mit der Stadt und den örtlichen Unternehmen. Ein anderes Beispiel ist die Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung. Jedes moderne Unternehmen braucht auch hervorragende Fachleute. Nicht zuletzt: gemeinsam mit der Steinbeis-Stiftung und deren Zentrum für Management und Technologie hat RSBK ein „Zentrum für Innovation und Technologie“ ins Leben gerufen und eine entsprechende Firma in China gegründet, die aus Xuchang heraus in der Provinz tätig ist. Aufgabe dieses Zentrums ist die Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Technologie, von Material- und Ressourceneffizienz, wie auch die Unterstützung von chinesischen Unternehmen. Sie sehen: wir haben Erfolge und diese Erfolge beflügeln unsere Zusammenarbeit und schaffen neue Möglichkeiten.

 

Statistiken zufolge gab es in China 2019 schon mehr als 50 chinesisch-deutsche Industrieparks. Welche davon haben Sie besucht und welchen Eindruck haben sie Ihnen gegeben? Was für eine Rolle haben diese Industrieparks Ihrer Meinung nach bei der Kooperation der beiden Länder gespielt?

 

Es gibt viele solcher Industrieparks und einige davon habe ich besucht, darunter auch viele, die sich der internationalen Zusammenarbeit widmen. Diese Industrieparks haben eine große Bedeutung für die chinesisch- deutsche oder – ganz grundsätzlich – für die internationale Zusammenarbeit. Wir stehen jetzt aber vor zwei grundlegenden Herausforderungen: die eine ist die Corona-Pandemie; hier ist China wie viele andere asiatische Länder besser als zum Beispiel Europa und deshalb hat die chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr als die einzige große Volkswirtschaft ein Wachstum erreicht. Aber die grundsätzliche Frage nach der Zukunft der Globalisierung muss noch beantwortet werden. 2020 hat China mit seinen Partnern entscheidende Weichen gestellt. China ist dank der „Regional Comprehensive Economic Partnership - RCEP“ der führende Teil der größten Freihandelszone der Welt; ebenfalls im Jahr 2020 wurde ein Schritt zur Dämpfung der Auseinandersetzungen getan, die die amerikanische Trump-Administration vom Zaun gebrochen hatte – durch das sogenannte „Phase One Agreement“. Europa und China haben einen entscheidenden Durchbruch geschafft, sich auf ein Investitionsabkommen zu einigen, das auch der Entschlossenheit und dem Vertrauen zwischen der deutschen Ratspräsidentschaft unter Angela Merkel und der chinesischen Führung unter Präsident Xi Jinping zu verdanken ist. Das ist der Rahmen, in dem sich auch die Industrieparks bewegen – und die Industrieparks werden umso erfolgreicher in der Zukunft sein, wenn es ihnen gelingt, sich auf die neuen Herausforderungen und die Zukunft auszurichten.

 

Von der Pandemie ist auch der Welthandel stark betroffen. Trotzdem haben China und Europa gemeinsam darauf hingearbeitet, dass der bilaterale Handel seine Abwärtsdynamik schnell umkehrt – diese chinesisch-europäische Zusammenarbeit ist derzeit ein Highlight in der Weltwirtschaft. Laut Eurostat erreichte der Gesamtimport und -export zwischen der EU und China in den ersten acht Monaten einen Wert von 374,7 Milliarden Euro – ein Plus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. China wird erstmals der größte Handelspartner der EU sein. Und Sie haben gerade vom Investitionsabkommen gesprochen. Welche Auswirkung, glauben Sie, wird dieses Abkommen haben? Wie sollten China und die EU Ihrer Meinung nach vor diesem Hintergrund in Zukunft noch besser zusammenarbeiten?

 

Sie haben Recht: der Handel zwischen China und Europa ist für beide Seiten vital und das Abkommen wird die Zusammenarbeit zwischen Europa und China auf eine neue und noch viel bessere Grundlage stellen. Beide Seiten müssen noch hart arbeiten, damit dieses Abkommen in der Zeit der französischen Ratspräsidentschaft unterschrieben und ratifiziert werden kann.


Der Handel ist in den letzten Jahren ständig gewachsen und er schafft eine echte Win-win-Situation. Das ist übrigens auch ein Vorbild für andere Teile der Welt. Aber wir arbeiten ja auf noch viel mehr Gebieten zusammen: chinesische und deutsche Hochschulen verfolgen weit über 1.000 Kooperationsprojekte; damit schaffen diese Hochschulen nicht nur wirtschaftliche und technische Grundlagen der Zusammenarbeit, sondern auch gegenseitiges Verständnis und Respekt werden ausgebaut. Viele Unternehmen forschen und entwickeln im jeweils anderen Land. Alleine BASF und Volkswagen haben Investitionen in der Höhe von 10 Milliarden US-Dollar respektive 15 Milliarden Euro in China für die nächsten Jahre angekündigt.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Corona-Pandemie,Weltwirtschaft,Europa,China