Chinas Beitrag zur Globalisierung: Vergangenheit und Zukunft

22.06.2022

Als ich 1986 erstmals nach China kam, wurde das Land im Westen sowohl als Vertreter der Vergangenheit als auch Symbol der Zukunft angesehen. Der Integration Chinas in das internationale System maß man große Bedeutung bei. Westliche Intellektuelle waren davon überzeugt, wie wichtig es ist, ein Viertel der Weltbevölkerung zu verstehen. Der Bereich Chinesisch als Fremdsprache war klar im Aufwind. 

  

Vier Jahrzehnte des Wachstums haben zu einer großen Steigerung des Wohlergehens der chinesischen Bürger geführt. Doch nicht nur das. Die Volksrepublik ist zu einer Säule der Globalisierung gereift. „China wird in den nächsten zehn Jahren für 30 Prozent des globalen BIP-Wachstums stehen“, erklärte Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China, jüngst in einem Interview mit Xinhua. Er betonte, dass globale Unternehmen auf dem chinesischen Markt präsent sein müssten, daran führe kein Weg vorbei. 

  

Wenn wir von unserer Gegenwart aus in die Zukunft blicken, sollten einige jüngste Entwicklungen in Schlüsselsektoren objektiv bewertet und historisch richtig eingeordnet werden. Gerade jetzt, wo globale Indikatoren für Klima, globale Gesundheit und Ernährungssicherheit uns alle als Weltgemeinschaft vor große Herausforderungen stellen. 


Ein arbeitsreicher Tag am Containerdock des Hafens Nanshan der Stadt Guangzhou am 12. April 2020


Handel, Wachstum und der chinesische Yuan 

  

Chinas Aufstieg war rasant und bemerkenswert, von der Peripherie des Welthandels zur globalen Handelsmacht. In Bezug auf die Entwicklung der 25 wichtigsten Handelsnationen der Welt seit 1978 zeichnet der Bericht der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) von April 2021 ein klares Bild. Chinas Anteil an den weltweiten Warenexporten zwischen 1978 und 2020 zeigt demnach eine beispiellose Entwicklung. 1978 lag er bei gerade einmal 0,8 Prozent und belegte damit den 20. Tabellenplatz. 1986 waren es schon 1,5 Prozent. Bis 2004 war dieser Anteil auf 6,5 Prozent gewachsen. Damit kletterte die Volksrepublik auf Platz 3 der globalen Rangliste. Und vier Jahre später, zeitgleich zu den Olympischen Sommerspielen 2008 in Beijing, erreichte er 9,1 Prozent. 2020 waren es dann sogar 14,7 Prozent. Mit anderen Worten: China hat eine konkurrenzlose und faszinierende Flugbahn zur Nummer eins realisiert und die Vereinigten Staaten und Deutschland mit 8,1 Prozent bzw. 7,9 Prozent hinter sich gelassen. 

  

Diese spektakuläre Veränderung erinnert mich an eine Bemerkung über China, die Bill Gates im Jahr 1995 nach einem Besuch des Landes machte. Gates sagte, die Probleme, die kurzfristig sicherlich die größten Auswirkungen auf China hätten, beträfen die ländlichen Gebiete, und nicht die Datenverarbeitung. Die Fakten sollten seine Einschätzung widerlegen. 

  

Ja, es stimmt, dass China damals nur wenige Millionen Computer hatte und sich auf die Beseitigung der Armut in ländlichen Gebieten konzentrierte. Es gab viel zu tun, insbesondere in den Bereichen Ernährungssicherheit und Gesundheitswesen. Chinas kontinuierliche Bemühungen führten aber dazu, dass China im Jahr 2020 auch die letzten Menschen im Land aus der absoluten Armut befreien konnte. Letztlich waren es auch Computer und die zunehmende Internetnutzung, die zu diesem Ziel beitrugen. 

  

Obwohl der amerikanische Dollar immer noch die Weltwirtschaftsordnung hegemonisiert, sind auch hier Veränderungen sichtbar. Der Anteil des Dollars an den globalen Währungsreserven sank von 71 Prozent im Jahr 1999 auf 59 Prozent im Jahr 2021, der niedrigste Stand seit über zwei Jahrzehnten, wie eine Umfrage des Internationalen Währungsfonds zur Währungszusammensetzung der offiziellen Devisenreserven ergab. Einige Experten erwarten, dass der Anteil des Dollars weiter sinken wird, da die Zentralbanken der Schwellen- und Entwicklungsländer eine weitere Diversifizierung ihrer Reservewährungen anstreben. Aktuelles Beispiel hierfür ist Israels Maßnahme, den chinesischen Yuan hinzuzufügen und gleichzeitig seine Dollar- und Euro-Bestände zu kürzen, um seine Reserveallokationen zu diversifizieren. 

  

Es stimmt zwar, dass der Dollar trotz wichtiger struktureller Veränderungen im internationalen Währungssystem seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs immer noch die wichtigste Reservewährung bleibt. Doch es werden sich wahrscheinlich auf lange Sicht Veränderungen ergeben, die sich auf Washingtons Dollar-Ansehen auswirken. Man sollte nicht vergessen, dass Chinas Handel mit der Außenwelt 1986 noch unbedeutend war. Heute, im Jahr 2022, handeln fast zwei Drittel der Länder mehr mit China als mit jedem anderen Land der Welt. 


Technisches Teamwork: Roboter arbeiten zusammen, um ein Fahrzeug in einer Schweißwerkstatt von Xiaopeng Motors zu montieren. Die Fabrik liegt in Zhaoqing in der Provinz Guangdong.


Aufstieg von Hi-Tech-Anwendungen 

  

In den meisten Teilen Chinas findet ein neuer Boom in der Infrastrukturentwicklung statt, der durch staatliche Fördermittel unterstützt wird. Bis jetzt hat China 1,559 Millionen 5G-Basisstationen errichtet. Berichten zufolge sollen in diesem Jahr 600.000 weitere hinzukommen. Der laufende 14. Fünfjahresplan (2021-2025) sieht vor, die 5G-Abdeckungsrate innerhalb von fünf Jahren auf 56 Prozent zu erhöhen. 

  

Nach Daten von April wuchs der High-Tech-Fertigungssektor im ersten Quartal 2022 im Vorjahresvergleich um 14,2 Prozent und damit deutlich höher als in anderen Industriesektoren. Die Bereiche Luft- und Raumfahrt sowie Ausrüstungsherstellung verbuchten ein Plus von 22,4 Prozent, Informations- und Telekommunikationsausrüstung wuchsen um 15,7 Prozent. Der vielleicht außergewöhnlichste Anstieg war bei den Investitionen in High-Tech-Fertigung und Dienstleistungen zu verzeichnen, die um 32,7 Prozent zulegten. 

  

Chinas Direktinvestitionen in Europa 

  

Die Rhodium Group in New York und das Mercator-Institut für Chinastudien in Berlin haben Chinas Investitionspräsenz in der EU und in Großbritannien im Jahr 2021 zusammengefasst. Ihr Bericht zeigt, dass chinesische Risikokapitalinvestitionen in Rekordhöhe in europäische Technologie-Start-ups fließen. Sie erreichten im Jahr 2021 1,2 Milliarden Euro. Damit haben sie sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Chinesische Investoren konzentrieren sich dabei vor allem auf Fintech, E-Commerce, künstliche Intelligenz und Robotik. 

  

Insbesondere der Bereich KI verspricht unbegrenztes Potenzial. KI-gestützte Managementsysteme sind in fast allen Branchen zu finden, vom Verkehrsmanagement in Megastädten bis hin zu Schiffen, die Hunderte von Kilometern ohne Kapitän zurücklegen können. Viele sagen voraus, dass China vor 2030 zur wichtigsten KI-Hochburg der Welt werden wird. 

  

Der neue geoökonomische Meridian 

  

Wang Huiyao, Präsident des Center for China and Globalization, ein Think-Tank mit Sitz in Beijing, betont, dass China der internationalen wirtschaftlichen und kommerziellen Zusammenarbeit größte Bedeutung beimesse. Diese strebe nach Win-win-Ergebnissen und betone das Konzept des gemeinsamen Wohlstands. Ein typisches Beispiel, das auf die Idee des gemeinsamen Gewinnes abzielt, ist die regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft, die am 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat. Sie harmonisiert die Interessen der 15 Unterzeichnerstaaten, auf die rund ein Drittel der Weltbevölkerung, der weltweiten Wirtschaftsleistung und des globalen Handels entfallen. 

  

In der Antike waren China und Indien lange die beiden größten Volkswirtschaften. Dank der industriellen Revolution entwickelten sich aber Europa und die Vereinigten Staaten zu den dominierenden Wirtschaftsräumen. Jetzt zeichnet sich unter Wissenschaftlern weltweit ein Konsens darüber ab, dass die historische westliche Dominanz eines Tages als Abweichung von der makrohistorischen natürlichen Ordnung der Dinge angesehen werden könnte. Der singapurische Diplomat und Wissenschaftler Kishore Mahbubani wiederholt dies in seinem Buch „Has the West Lost It?: A Provocation“. Darin schreibt er: „Vor dem Hintergrund der letzten 1800 Jahre ist die jüngste Periode der relativen Überperformance des Westens gegenüber anderen Zivilisationen eine große historische Verirrung.“  

  

Kurz-, mittel- und langfristige Zyklen sind wichtig. Asien, mit China in einer herausragenden Position, ist zum geoökonomischen Meridian der Welt geworden, und dieses Jahrzehnt bestätigt diese Realität. 

  

*Augusto Soto ist Direktor des Dialogue with China Project, einer unabhängigen elektronischen Plattform.

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Globalisierung,BIP,Wachstum