China und Europa

„Risikominderung“ spiegelt Mentalität des „Kalten Krieges“ wider Exklusiv

12.05.2023

Von Wang Ran, Beijing

Staatsrat und Außenminister Qin Gang hat jüngst seine Europa-Reise begonnen und dabei auf der ersten Station Deutschland besucht. Aber gerade als er in Berlin ankam, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Rede vor dem EU-Parlament: „Unsere Beziehung zu China ist mit dem Dreiklang ‚Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale‘ zutreffend beschrieben, wobei Rivalität und Wettbewerb seitens Chinas ohne jeden Zweifel zugenommen haben.“

Chinas Staatsrat und Außenminister Qin Gang trifft sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin am 10. Mai Ortszeit. (Foto vom chinesischen Außenministerium)

Scholz betonte in seiner Rede auch, dass er mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darin übereinstimme: Kein Decoupling, aber ein kluges Derisking.

Auf einer Pressekonferenz mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock am 9. Mai sagte Qin, dass man, wenn man von „Resikoreduzierung“ spreche, zunächst darüber nachdenken müsse, was diese Risiken überhaupt sind und wo genau sie liegen. China versuche nicht, sein eigenes System zu exportieren, halte sich stets an den Weg der friedlichen Entwicklung, verfolge eine für beide Seiten vorteilhafte und gewinnbringende Strategie der Öffnung, halte sich an die internationale auf dem Völkerrecht beruhende Ordnung, und lehne Hegemonie ab. Was China dagegen nach außen exportiere, seien Chancen und nicht Krisen, Kooperation und nicht Konfrontation, Stabilität und nicht Aufruhr, Sicherheit und nicht Risiko. Was der Außenminister damit sagen wollte, ist klar: China ist keine Quelle des Risikos.

Shi Shiwei, Professor an der University of International Business and Economics (UIBE), sagte in einem Interview, dass ein wichtiger Aspekt der europäischen Besorgnis über die „Verringerung der Abhängigkeit von China“ das so genannte „geopolitische Risiko“ sei. Damit meint er zum Beispiel, dass Deutschland im Falle einer Eskalation des Konflikts in der Taiwanstraße seine zu engen Wirtschaftsbeziehungen zu China einstellen müsste. Dies hätte natürlich enorme Auswirkungen auf Deutschland, das daher jetzt bestrebt ist, seine Abhängigkeit von China schon im Vorhinein zu verringern.

Shi wies darauf hin, dass Deutschlands Angst vor einer angeblich „übermäßigen Abhängigkeit“ von der chinesischen Wirtschaft in Wirklichkeit hauptsächlich das Ergebnis von Hetzen einiger deutscher Politiker und Think Tanks sei. Diese würden damit versuchen, wirtschaftliche Fragen zu „politisieren“.

Der berühmte deutsche Schriftsteller und Philosoph Richard David Precht ging kürzlich in einer Sendung des deutschen Fernsehens („Lanz & Precht“) auf die Bezeichnung für China als „systemischer Rivale“ ein. Dies sei eine Denkweise, die offensichtlich vom westlichen religiösen Denken beeinflusst sei, wo monotheistische religiöse Systeme wie das Christentum stets einen Missionsanspruch hätten. In diesem Zusammenhang warf Precht die Frage auf: „Warum können wir nicht sagen, das ist deren Sache? Warum können wir sie nicht in Ruhe lassen? Sie haben doch ein Recht darauf ihren Weg zu gehen.“ Er argumentierte, dass die von Baerbock befürwortete „wertegeleitete Außenpolitik“ in Wirklichkeit eine „konfrontationsgeleitete Außenpolitik“ sei. Mit diesem moralischen Inbrunst einer „Klassensprecherin“ versuche die Außenministerin, einer Kulturnation die westlichen Werte zu erklären.

China als Kulturmacht mit einer 5.000-jährigen Geschichte braucht keinen „Lehrmeister aus dem Westen“. Seit der Antike ist China bereits ein integratives Volk, das nach Harmonie, Vielfalt und Inklusion strebt. China hat nie eine Hegemonie in der Welt angestrebt und sich verpflichtet, dies auch in der Zukunft nie zu tun. Was Europa betrifft, so unterstützt China den von der europäischen Bevölkerung gewählten Entwicklungsweg und die strategische Autonomie Europas. Daher hat Beijing auch stets eine stabile und kontinuierliche Politik gegenüber Europa verfolgt.

Die Übertreibungen des Westens, was die angebliche „chinesische Bedrohung“ angeht – egal ob es um die „Abkopplung“, die „Verringerung der Abhängigkeit“ oder die „Verringerung des Risikos“ geht -, spiegeln alle das Konfrontationsdenken Europas wider. Im Grunde handelt es sich dabei um politische Erwägungen, die Druck auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und Deutschland sowie zwischen China und der EU ausüben.

Qin Gang betonte, dass dieser „neue Kalte Krieg“ der Konfrontation zwischen den Lagern das eigentliche Risiko sei, vor dem man sich hüten müsse.

Er erinnerte Europa daran, dass die Abwendung von China im Namen der „Risikominderung“ automatisch auch zu einer Abwendung von Chancen, Kooperation, Stabilität und Entwicklung führen würde. Stattdessen appellierte er, „China und Deutschland sowie China und Europa müssen sich in ihren Beziehungen an die Regeln des internationalen Handels halten, offen füreinander bleiben und die geordnete Zusammenarbeit in Wirtschaft, Handel und Investitionen nicht politisieren und nicht künstlich in das Marktverhalten eingreifen.“

Die überwiegende Mehrheit der mehr als 5.000 deutschen Unternehmen, die derzeit in China tätig sind, ist optimistisch, was die zukünftige Entwicklung des chinesischen Marktes angeht, und lehnt politische Einmischungen in das wirtschaftliche Geschehen ab. Im Februar dieses Jahres gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass China im letzten Jahr bereits zum siebten Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner war.

In Wirtschaftskreisen herrscht also allgemeiner Konsens darüber, dass Deutschland einen hohen Preis zahlen würde, wenn es sich auf wirtschaftlicher Ebene aufgrund politischer Differenzen von China abwenden sollte.

Qin wies darauf hin, dass „wenn dieser ‚neue Kalte Krieg‘ geführt wird, nicht nur die Interessen Chinas, sondern auch die Europas Schaden nehmen werden.“

Eine Studie eines österreichischen Think Tanks hat kürzlich ergeben: Würde sich Deutschland von China abkoppeln, würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um zwei Prozent pro Jahr sinken. Das entspräche einem Verlust von 60 Milliarden Euro.

Der Bundesverband „Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik“ hat außerdem einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass für die meisten deutschen Unternehmen ein Ausstieg aus dem chinesischen Markt derzeit überhaupt nicht zur Diskussion stehe. Die Suche nach Alternativen für bestehende chinesische Partner wäre aufwendig und finanziell extrem kostspielig.

Ralf Brandstätter, VW-China-Chef, mahnte unlängst auf einem Seminar in Berlin, dass wir unsere Position in China nicht absichtlich aus politischen Gründen schwächen dürfen.

Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender von Mercedes-Benz, betonte, dass eine Entkopplung von der chinesischen Wirtschaft für die deutsche Industrien enorme Gefahren darstellen würde, weil Europa, die USA und China eng miteinander verflochten seien. Es würde daher keinen Sinn ergeben, sich von China abzukoppeln.

Er argumentierte, dass Europa, die USA und China „eng miteinander verflochten“ seien und dass es keinen Sinn ergeben würde, sich von China „abzukoppeln“.

Am 23. März dieses Jahres wies der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, Shu Jueting, auf einer Pressekonferenz darauf hin, dass „die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland das Ergebnis der Entwicklung der Globalisierung und der Gesetze des Marktes sind. China und Deutschland verfügen über komplementäre wirtschaftliche Vorteile, und es existiert keinesfalls eine sogenannte einseitige Abhängigkeit.“

China und Deutschland haben seit langem enge Wirtschafts- und Handelskontakte miteinander und zueinander. Das Wirtschafts- und Handelsvolumen zwischen China und Deutschland macht seit langem fast 30 Prozent des gesamten Wirtschafts- und Handelsvolumens zwischen China und Europa aus. Eine künstliche Ausbremsung dieses normalen Austausches wäre extrem teuer für beide Seiten.

Qin rief China und Deutschland deshalb dazu auf, den richtigen Weg einzuschlagen, sich gemeinsam dem „neuen Kalten Krieg“ und der „Abkopplung und Entflechtung“ entgegenzustellen und dem Weltfrieden und Wohlstand neue Zuversicht und Dynamik zu verleihen.

"China ist ein wichtiger Partner für Europa bei der Bewältigung großer Herausforderungen. China freut sich, dass Europa die chinesischen Marktchancen und Entwicklungsvorteile weiterhin nutzt, um eine Verbindung zwischen der chinesischen Modernisierung und der europäischen Entwicklung zu fördern."

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Deutschland,EU,Scholz,Baerbock