Farben und ihre chinesische Symbolik
Rot, gelb, blau, purpur oder auch grün – Farben machen unsere Welt bunter und schöner. Wie in vielen Dingen hat auch bei den Farben jedes Land seine eigenen Vorlieben und Abneigungen. Dieselbe Farbe kann in verschiedenen Ländern eine völlig andere Bedeutung haben. Auch das Verhältnis der Chinesen zu den einzelnen Farben ist stark kulturell geprägt.
Die meisten Bräute in Europa wollen den schönsten Tag ihres Lebens in einem weißen Kleid feiern. Denn die Farbe weiß steht im Westen für Reinheit, Erhabenheit sowie die Unberührtheit der Braut. In China hingegen ist weiß die Farbe der Trauer! Es ist daher sehr unhöflich, in weiß gekleidet an einer traditionellen chinesischen Hochzeit teilzunehmen.
Auf einer traditionellen chinesischen Hochzeit ist ein rotes Brautkleid ein absolutes Muss. In China gilt Rot nämlich als Glücksfarbe. Sowohl auf einer Hochzeit als auch bei der Neujahrsfeier ist die Farbe Rot unentbehrlich.
Beeinflußt von der Globalisierung schenken heutzutage viele chinesische Paare der Tradition nicht mehr allzu viel Beachtung. Hochzeitsfotos im weißen Brautkleid sind geradezu Mode geworden. Auf einem Hochzeitsbankett sorgt jedoch nach wie vor erst der Auftritt der Braut in Rot für die richtige Stimmung.
Woher kommt eigentlich die große Vorliebe der Chinesen für die Farbe Rot? Die Volkskundlerin Frau Professor Wang Juan von der Peking-Universität kennt die Antwort: „Eine Vielzahl von Überlieferungen besagt, dass Teufel und Dämonen riesige Angst vor Rot haben. Nehmen wir die Legende über den Ursprung der Neujahrsfeier als Beispiel. Einer Volkssage zufolge ist ‚Nian’ der Name eines menschenfressenden Dämons. Jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit treibt ‚Nian’ sein Unheil auf der irdischen Welt. Eines Tages erzählte ein taoistischer Mönch den Leuten, dass sich ‚Nian’ vor der Farbe Rot und vor lautem Krach fürchtet. Die Leute begannen daraufhin, ihre Wohnungen rot zu schmücken und Böller anzuzünden. Auf diese Weise wurde ‚Nian’ erfolgreich vertrieben.“
Die Chinesen mögen die Farbe Rot aber nicht nur wegen ihrer Schutz- und Abwehrfunktion. Rot ist auch die Farbe des Blutes sowie der Sonne und deshalb ein Symbol für das Leben. Im alten China wurden der Sonne als Quell des Lebens sogar Opfer dargebracht. Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, warum rot in China eine positive Bedeutung hat.
Im Gegensatz dazu steht die Farbe Weiß, die in China auf große Abneigung stößt. Gemäß der Theorie der fünf Elemente gehört die Farbe Weiß zur Jahreszeit Herbst und zum Element Metall. Im Herbst beginnt die kühlere Jahreszeit. Es ist die Zeit, in der der Energiefluß langsam abnimmt und die Blätter sich zunehmend verfärben bis sie schließlich abfallen. Das Metall steht für diesen Zersetzungsprozess. Die Farbe Weiß symbolisiert daher auch das Nichts.
Hinzu kommt, dass Weiß ein Anzeichen von Blutmangel und Leblosigkeit ist. Weiß ist daher in der chinesischen Kultur die Farbe des Todes. Eine Beerdigung in China wird gemeinhin auch „Weißes Ereignis“ genannt. Weiße Kleider auf einer Hochzeit oder auf einer Geburtstagsfeier eines älteren Menschen sind daher absolut tabu.
Die Abneigung der Chinesen gegenüber Weiß zeigt sich auch in der Kunst. In der Peking-Oper beispielsweise werden weiße Masken immer von Bösewichten getragen, während rote Masken den tapferen und treuen Figuren vorenthalten sind.
Wer über die traditionelle chinesische Kultur spricht, kommt an der Farbe Gelb nicht vorbei. Nicht nur die Dachziegel des Kaiserpalastes, sondern auch das Bettzeug sowie die Gewänder und Schuhe des Kaisers waren goldgelb. Gelb gilt in China seit altersher als edle Farbe. Frau Professor Wang Juan hat folgende Erklärung für dieses Phänomen:
„Die traditionelle chinesische Kultur beruht auf zwei Theorien: die Theorie vom Yin und Yang sowie die Theorie der fünf Elemente. Zahlreiche Systeme und Wertvorstellungen in der chinesischen Kultur hängen eng mit diesen beiden Theorien zusammen. Die fünf Elemente (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser) sind jeweils den fünf Himmelsrichtungen, Ost, Süd, Mitte, West und Nord zugeordnet. Die Farbe Gelb gehört zur Himmelsrichtung Mitte. Warum? Ich bin der Meinung, dass die fünf Elemente die sozialen Klassenunterschiede widerspiegeln. Gelb steht für die Mitte, weil Gelb die Farbe der Erde ist. Die chinesische Kultur ist eine Art Ackerkultur. Sämtliche Lebewesen entstammen der Erde. Aus diesem Grund nimmt die Farbe Gelb die zentrale Stellung ein.“
Wegen ihrer besonderen Stellung war die Farbe Gelb ausschließlich dem Kaiser vorbehalten. Gewöhnlichen Bürgern war die Benutzung der Farbe Gelb strengstens untersagt. Wer sich gelb kleidete, stand im Verdacht, den Thron usurpieren zu wollen, und musste daher mit der Todesstrafe rechnen.
Eine andere beliebte Farbe in China ist Purpur. Im alten China konnte man die Stellung einer Person anhand ihrer Bekleidung erkennen. Die farbe Purpur war ausschließlich hohen Beamten vorbehalten.
Die Verbotene Stadt, auch „Purpurne Verbotene Stadt“ genannt, war die Residenz der Ming- und Qing-Kaiser. Doch warum „purpurne Stadt“? Die chinesischen Kaiser bezeichneten sich selbst als „Söhne des Himmels“, das heißt als „Söhne des himmlischen Kaisers“. In Erzählungen wurde der Wohnort des himmlischen Kaisers als „purpurner Palast“ beschrieben und der Kaiser wurde als höchster Herrscher auf Erden verehrt. Sein Palast wurde daher streng bewacht. Gewöhnliche Leute durften sich seinem Palast weder nähern, noch ihn betreten. Infolge dieser Abschottung von der restlichen Welt wurde der Kaiserpalast von der einfachen Bevölkerung ehrfurchtsvoll „Purpurne Verbotene Stadt“ genannt.
Purpur ist aber auch beim einfachen Volk eine beliebte Farbe, weil sie denselben Laut wie das Wort „Sohn“ hat. Nach chinesischer Tradition wird vom Glück begünstigt, wer mehrere Söhne und Enkelkinder hat. Dazu Frau Professor Wang Juan:
„Nach alter chinesischer Tradition soll für das Neugeborene ein „Bai Jia Yi“ genäht werden. Das „Bai Jia Yi“ ist eine Art Babykleid, das aus Stofffetzen von hundert verschiedenen Familien angefertigt wird. Die Idee zu diesem Brauch stammt vom Bettlerkleid, das aus mehreren verschiedenfarbigen Stoffteilen zusammengenäht wird. Vom „Bai Jia Yi“ erhoffen sich die Eltern, dass ihr Kind pflegeleicht und körperlich so robust wie ein Bettler sein wird. Es ist aber nicht nötig, tatsächlich hundert Stofffetzen zu sammeln. Ein paar Dutzende reichen schon. Das Problem nun aber ist, dass niemand auch nur auf den Gedanken käme, jemand anderem purpurnen Stoff zu schenken. Denn das würde bedeuten, dass man seine eigenen Nachkommen weggeben würde. Purpurner Stoff darf aber auf keinen Fall fehlen. Die einzige Lösung für dieses Problem besteht darin, Witwen oder Witwer um purpurnen Stoff zu bitten. Die Farbe Purpur steht im Volksglauben nicht nur für Nachkommen, sondern auch für Glück.“
Zugegeben, es ist nicht immer ganz leicht in diesem Farbenwirrwarr den Überblick zu behalten. Welche Kleidungsstücke auch immer Sie in China tragen, als Mann sollten Sie unbedingt auf grüne Hüte verzichten. Denn eine grüne Kopfbedeckung hat in China die Bedeutung des „gehörnten Ehemannes“.