Meinung
Die Seidenstraßen-Initiative: Eine Säule von Entwicklung, Umweltschutz, Integration und Gerechtigkeit Exklusiv
von Wolfram Elsner, Bremen
Die Seidenstraßen-Initiative (BRI) hat in den vergangenen mehr als zehn Jahren mit über 150 Partnerländern nachhaltige Vernetzung und wirtschaftlichen Aufschwung gefördert. Durch den Ausbau von Handelskorridoren, erneuerbaren Energien und digitaler Infrastruktur eröffnet die BRI auch für die EU bedeutende Kooperationschancen.
Die BRI wurde 2013 von der Regierung der Volksrepublik China initiiert. Sie hat sich innerhalb weniger Jahre nicht nur zum größten entwicklungspolitischen Projektverbund weltweit entwickelt, sondern zugleich zum am besten begleiteten, analysierten, evaluierten und publizierten sozioökonomischen Netzwerk. Zahlreiche internationale, nicht zuletzt auch US-amerikanische Institute sind beteiligt und sogar bei der chinesischen Regierung akkreditiert.
Die BRI wurde von Anfang an international transparent begleitet und im Rahmen meist multilateraler regionaler Begleit-Foren organisiert, so zum Beispiel im China-Afrika-Kooperationsforum (FOCAC), in der Kooperation mit der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), im Kooperationsforum Chinas mit den fünf zentralasiatischen Staaten (C+C5) oder neuerdings auch mit den arabischen Ländern. Sie alle sind mit regionalen Fonds ausgestattet, und große BRI-Projekte sind meist direkt in die Vereinten Nationen oder ihre Unterorganisationen integriert. Ein internationaler Beirat des zentralen BRI-Forums umfasst unter anderem westliche ehemaligen Ministerpräsidenten. 2023, zum 10-jährigen Bestehen der BRI, tagte das 3. BRI-Forum für internationale Kooperation. Es wurden allein dabei 458 neue Investitionsvereinbarungen und neue Handelsverträge im Wert von 97 Milliarden US-Dollar abgeschlossen.
Die BRI besteht inzwischen aus über 240 Kooperationsverträgen mit mehr als 150 Partnerländern und mehr als 30 internationalen Partnerorganisationen. Sie erreicht damit mehr als 75 Prozent der Weltbevölkerung. Ziel und Inhalt der BRI sind gemeinsame Entwicklung und inklusiver Wohlstand für die Menschheit als Schicksalsgemeinschaft.
Der Form nach wird die BRI über Staatsverträge entwickelt. Inhaltlich geht es vor allem um umfassende Infrastruktur-Investitionen, multidimensionale Vernetzungen von Transporten (Schienen, Straßen, Seewege/Häfen), über Gas-, Öl-, Strom-, IT-, Industriepark-, Gesundheits- und Wissenschaftsnetzwerke bis hin zu Berufsausbildungs-, Medien- und „Community“-Netzwerken oder auch eine Asiatische Allianz zur Erhaltung des kulturellen Erbes.
Inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf Ökologie und Klima. Die Grüne Seidenstraße leistet, neben der grünen Transformation von China selbst, heute die entscheidenden Beiträge zur Bekämpfung der Umwelt- und Klimakatastrophen. Mehrere Energie- und Ökofonds, der neue Kunming-Biodiversitätsfonds sowie eine umfassende ökologische Begleitforschung und -Evaluierung betten die Projekte ein.
Auf dem eurasischen Kontinent ist der neue Transport-Schwerpunkt Bahn von der chinesischen Ostküste bis zur westeuropäischen Atlantikküste entstanden. Die meisten BRI-Investitionen gehen außerdem in erneuerbare Energien.
Die Maritime Seidenstraße umfasst bereits 117 Häfen in 43 Ländern. Insgesamt handelt es sich bei der BRI um sechs Korridore, die zunehmend mit anderen Korridor-Projekten vernetzt werden, wie zum Beispiel der Nordostpassage durch die Polarzone um den eurasischen Kontinent herum, die enorme Kosten- und Zeitersparnisse ermöglicht und dem Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor/INSTC, der St. Petersburg und Moskau mit Mumbai verbindet. Erstmals wächst somit die Welt unter einer multipolaren Organisation zu wirklich „einer“ Welt zusammen.
Der Transeurasia Express Westeuropa-China (China-Europe-Railway Express) fährt bereits seit 2008. Bis November 2024 sind mehr als 100.000 Züge gefahren, auf 93 Zugstrecken, aus ca. 125 chinesischen Städten kommend, in heute 227 europäische Städte in 25 europäischen Ländern. Allein 2024 fuhren über 19.000 Züge mit insgesamt über 2 Millionen TEU, was einer Steigerung der Züge um 10 Prozent gegenüber 2023 entspricht.
Für die im Westen immer wieder behaupteten „Schuldenfallen“ gibt es keinerlei Anzeichen. Die Entwicklungsbanken, die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), die New Development Bank (NDB) und andere Bankenvergeben günstigere und flexiblere Kredite als Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, ohne politische Bedingungen. Nach dem Schuldenbericht der Weltbank 2023 sind zum Beispiel ohnehin nur 11 Prozent der Schulden Afrikas Schulden bei China. Auch die CELAC hat mehr Schulden beim Westen als bei China. Chinesische Kredite an Entwicklungsländer werden gedeckelt, bevor es zu Schuldenfallen kommt, und tragfähige Schuldenkapazitäten der Schuldner werden rechtzeitig vorher berechnet. Einer Studie von der Boston University, Global Development Policy Center, School of Oriental and African Studies und Freien Universität Berlin zufolge spielt China eine verantwortungsvolle Rolle, indem es eine Krisenfinanzierung für Länder bereitstellt, die anderenfalls keine attraktive Finanzierung hätten. Chinas Umschuldungen korrigieren die Ungleichheiten im Umschuldungssystem der westlichen Zentralbanken, während die USA/IWF ihre Finanzhilfen nur an Partner mit engen Wirtschaftsbeziehungen und nach geopolitischen Interessen vergeben. Chinesische Umschuldungen stellen somit eine Alternative zu den unattraktiven IWF-Programmen dar.
Das FOCAC besteht schon seit 2000, also schon vor der BRI. Von 2000 bis 2022 hatte sich der Handel verzehnfacht. China hat für Exporte aller unterentwickelten Länder die Importzölle vollständig abgeschafft und importiert zunehmend auch afrikanische Industriegüter. Bis 2023 wurden 10.000 Kilometer Schienen, 66.000 Kilometer Stromleitungen, 100.000 Kilometer Straßen, 150.000 Kilometer Glasfaserkabel, 1.000 Brücken und 100 Häfen gebaut. Darüber hinaus hat China 32 afrikanischen Ländern Hilfsgelder zur Verfügung gestellt und eine Reihe von Projekten in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Ernährung durchgeführt, von denen mehr als 10 Millionen Menschen profitiert haben.
Laut McKinsey findet durch die BRI eine „erstmalige grundlegende Industrialisierung Afrikas“ mit „neuen, angepassten Technologien“ statt, zum Beispiel einfachen, günstigen Handys für kleine Gewerbetreibende oder günstige dreirädrige E-Transporter für Frauenunternehmen, die alle in Afrika produziert werden.
Chinesische Unternehmen in Afrika nutzen lokale Zulieferer und beschäftigen zu mehr als 80 Prozent lokale Arbeitskräfte, insgesamt sind etwa 10 Millionen Afrikaner in chinesischen Projekten beschäftigt, lediglich von 2012 bis 2023 wurden mehr als 1,1 Millionen neue Jobs in chinesischen Unternehmen in Afrika geschaffen.
Eine große Mehrheit der Afrikaner sieht einen positiven Einfluss Chinas, etwa weil man „auf Augenhöhe“ miteinander umgeht. Einem Bericht von der Neuen Züricher Zeitung zufolge sagte Asfa-Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, dass China die territoriale Einheit der afrikanischen Länder nicht infrage stelle, nie Soldaten, sondern medizinisches Personal geschickt und Befreiungsbewegungen unterstützt, das Leben der Afrikaner verbessert sowie Straßen, Flugplätze, Wasserkraftwerke, Häfen und Mobilfunkanlagen gebaut habe. Darüber hinaus sagte die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation Ngozi Okonjo-Iweala auch einmal: „Wenn wir mit China sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Wenn wir mit Deutschland sprechen, bekommen wir eine Belehrung.“
Laut McKinsey tätigen chinesische Unternehmen Investitionen, die sie langfristig an Afrika binden, und sind insgesamt für Afrikas Volkswirtschaften und Arbeitnehmer sehr positiv. Die australische Denkfabrik Lowy Institute meinte, dass China und chinesische Firmen auf lokale Bitten hören und sich entsprechend anpassen würden. Selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung Afrika (Dakar) räumte ein, dass China in Afrika einen guten Ruf besitze, und die Medien positiv über Chinas Präsenz berichteten. Und die Carnegie Foundation glaubte, dass die BRI zur nachhaltigen Bekämpfung von Afrikas Armut beitrage. Für McKinsey repräsentiert Chinas internationale Netzwerk- und Cluster-Strategie im Rahmen der BRI-Korridore die „nächste Phase der Globalisierung“, für das World Resources Institute (WRI) ist die BRI die „ambitionierteste Infrastruktur-Investitions-Anstrengung in der Geschichte“.
Dabei macht China dem Westen immer wieder Kooperationsangebote: Ministerpräsident Li Qiang forderte auf dem Weltwirtschaftsforum im Januar 2024 eine künftige internationale industrielle Spezialisierung auf. Es wäre eine Chance für die EU und für Deutschland.
Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen, langjähriger China-Kenner und Autor zahlreicher China-Publikationen. Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.