Chinesische Touristen als Hoffnungsträger: Sachsens Tourismus setzt auf Wachstum und Visalockerung
Wolfgang Gärtner, Leiter des Auslandsmarketings der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH (TMGS), sieht im chinesischen Reisemarkt einen Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche Erholung der deutschen Tourismusbranche. In einem Exklusivinterview mit einer CMG-Journalistin betonte er das enorme Potenzial chinesischer Touristen, die bereits vor der Pandemie zu den wichtigsten Besuchergruppen in Deutschland zählten. Bei der derzeitigen Wachstumsdynamik könnte Sachsen bereits 2025 einen historischen Besucherrekord verzeichnen. Für Gärtner steht fest: „Chinesische Reisende werden unsere Städte und Regionen nachhaltig bereichern - kulturell und wirtschaftlich.“
Trotz eines aktuellen Platzes 11 bei den Ankünften und Platz 13 bei den Übernachtungen zeigt der Markt dynamische Wachstumssignale. Im Jahr 2023 werde Sachsen bereits ein Plus von 70 Prozent bei den chinesischen Gästen verzeichnen. „Der Abstand zu den Top Ten der europäischen Märkte ist gering. Hält das Tempo an, könnte China in zwei Jahren sogar in die Top Five vorstoßen“, prognostiziert der Marketingexperte der TMGS.
Als größtes Hindernis identifiziert Gärtner jedoch die deutsche Visapolitik. Seinen Recherchen zufolge würden potenziell viermal so viele Touristen nach Deutschland reisen, wenn die bürokratischen Hürden niedriger wären. „Es gibt keine rationalen Sicherheitsgründe für diese Restriktionen“, kritisiert der Manager und verweist auf eigene visafreie Reisen nach China. Die derzeitige Praxis sei inkonsequent: „Langjährige Messebesucher werden plötzlich abgewiesen - das untergräbt das Vertrauen.“
Als bedeutende Herausforderung sieht Gärtner die aktuelle Visapolitik Deutschlands. Nach seinen Einschätzungen könnte die Zahl chinesischer Touristen deutlich steigen – möglicherweise um ein Vielfaches –, wenn administrative Hürden reduziert würden. „Viele Reisewillige scheitern nicht an mangelndem Interesse, sondern an bürokratischen Hürden“, erklärt er. Im Vergleich zur visafreien Einreise nach China für deutsche Staatsbürger erscheint ihm die Regelung unausgewogen. Insbesondere irritiere es, wenn auch langjährige Geschäftsreisende oder Messebesucher zunehmend auf Hürden stoßen. „Das schafft Verunsicherung und beeinträchtigt das Vertrauen“, so Gärtner.
Gleichzeitig weist Gärtner auf einen Paradigmenwechsel im Reiseverhalten hin: Statt wie früher in fünf Tagen durch 17 Städte zu hetzen, dominiere heute das individuelle Erlebnis. „Die Zeiten rein chinesisch organisierter Busreisen mit vorgefertigten Shopping-Stops sind vorbei.“ Auch das Vorurteil, chinesische Touristen beschränkten sich auf Großstädte wie Dresden oder Leipzig, widerlegt er: „Ihre Ausflugsrouten führen längst zu historischen Kleinoden wie Meißen mit seiner Porzellanmanufaktur, ins erzgebirgische Seiffen - Heimat des Nussknackers - oder nach Görlitz, der östlichsten Filmkulisse Europas.“
„Chinesen sind ideale Touristen: neugierig, kaufkräftig und kulinarisch experimentierfreudig“, so Gärtner. Die sächsische Tourismusstrategie setzt darauf, Aufenthalte durch solche Erlebnisse zu verlängern. „Wir müssen zeigen, dass sich Tagesausflüge lohnen - genauso wie ich in China nicht nur in den Metropolen übernachte“, sagt Gärtner. Die Herausforderung liege darin, diese Vielfalt kommunikativ zu vermitteln.
Für die Zukunft plädiert der Leiter des internationalen Marketings für vereinfachte Visaregelungen und direkte Marketingkooperationen. „Wenn wir die Rahmenbedingungen verbessern, profitieren alle: Hotels, Einzelhandel, Kultureinrichtungen.“ Sein Appell an die Politik ist klar: „Tourismus ist Brückenbau. China hat seine Tore geöffnet - jetzt müssen wir es auch tun.“