Sinologe und Ökonom
RCEP-Freihandelsabkommen nutzt auch Europa Exklusiv
Von Elke Lütke-Entrup
Im Asien-Pazifik-Raum ist die größte Freihandelszone der Welt entstanden. Die neue regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP) erstreckt sich über 15 Staaten und betrifft rund 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung sowie rund 2,2 Milliarden Einwohner. RCEP wird in westlichen Medien oft als Gefahr dargestellt. China.org.cn hat deshalb mit Prof. Dr. Markus Taube, Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft mit Schwerpunkt China an der Universität Duisburg Essen über die Bedeutung von RCEP für Europa und den Welthandel gesprochen.
Prof. Dr. Markus Taube
China.org.cn: Herr Prof. Taube, wie bewerten Sie den neuen Freihandelspakt RCEP? Hat Europa damit den Anschluss beim Freihandel verloren?
Prof. Taube: Deutschland und Europa vertreten die Position, dass Freihandelsabkommen, egal wo auf der Welt, im Grunde gut sind. Diese Ansicht ist in den USA mit der Trump-Regierung leider verloren gegangen, insofern ist RCEP ein guter Gegenpol.
Um es noch etwas deutlicher zu sagen: Europa hat nicht den Anschluss verloren. RCEP verlinkt die Länder in der Region Asien-Pazifik stärker miteinander, vernetzt deren Wertschöpfungsketten, senkt Transaktionskosten. Dies führt dazu, dass die Region wettbewerbsfähiger und wohlhabender wird. Das ist grundsätzlich kein Problem für Europa.
Zwar mag der Konkurrenzdruck bei einigen Produkten aus der Region, mit denen wir im direkten Wettbewerb stehen, wachsen. Andererseits profitieren europäische Unternehmen, die dort erfolgreich investieren und Wertschöpfungsketten aufbauen, von dem dank RCEP verbesserten wirtschaftlichen Umfeld. Ich sehe keine grundlegende Beeinträchtigung europäischer Unternehmen. Wir haben unterschiedliche Produktspektren, unterschiedliche Spezialisierungs- und Kompetenzmuster. Unsere Industrie ist in der Region massiv involviert und kann von allen positiven Aspekten, die durch RCEP geschaffen werden, profitieren.
Was bedeutet der Pakt für China und für den Welthandel?
Für China ist es eine sehr positive Entwicklung. China stärkt seine Wirtschaft und seine Wertschöpfungsketten und nimmt letztendlich – schon allein aufgrund der relativen Größe der chinesischen Volkswirtschaft – in der Region eine Führungsrolle ein. China profitiert sogar doppelt: Das Land ist über zahlreiche Liefernetze mit der Region Asien-Pazifik verflochten. Das chinesische Wirtschaftswunder basierte in der Vergangenheit stark auf dem Import von Vorprodukten aus genau dieser Region. Dieses Muster verändert sich gerade, denn viele chinesische Unternehmen investieren nun selbst in diesen Ländern. Hierdurch werden die bestehenden Strukturen noch weiter gefestigt.
Für die Wertschöpfungsketten wird der nationale Begriff zunehmend hinfällig, weil Produkte in wachsendem Maße Wertschöpfungsanteile aus verschiedenen Ländern enthalten. Gleichzeitig werden diese Produkte, an denen fast immer chinesische Unternehmen beteiligt sind, durch die über China und andere RCEP-Länder verteilte Produktion gestärkt.
Erfährt die Globalisierung damit eine Wiederbelebung?
Es kommt darauf an, inwiefern sich die Welt darauf einlässt. Der designierte US-Präsident Joe Biden sagte, er wolle die Transpazifische Partnerschaft (Trans-Pacific-Partnership, TPP) reaktivieren. Das gäbe der USA die Möglichkeit, sich abermals intensiver in den ost- und südostasiatischen Wirtschaftsraum einzuklinken und sich wieder stärker in multilaterale Strukturen einzubinden.
Wenn die USA auf der Trump‘schen Politik des „America First“ beharrt, dann werden sie der große Verlierer sein und können an den positiven Effekten, die RCEP bietet, wie Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen, nicht partizipieren.