Für Deutschland
Risiko aus Amerika, Sicherheit aus China Exklusiv
Die wirklichen Risiken stammen aus den Vereinigten Staaten
In der Stellungnahme des Sprechers der chinesischen Botschaft zur deutschen „China-Strategie“ hieß es unter anderem, dass keine der Herausforderungen und Probleme, mit denen sich Deutschland derzeit konfrontiert sieht, von China verursacht würden. Was sind also die Risiken in Wirklichkeit und woher kommen sie?
Das Risiko stellt vor allem der Abwärtstrend der deutschen Wirtschaft dar, der hauptsächlich der Energiekrise geschuldet ist. In einem Bericht der Welt vom 28. Juli hieß es, dass Deutschlands wirtschaftliche Stagnation noch einige Zeit anhalten dürfte. „In kaum einem anderen Land ist die Konjunktur derzeit so stark unter Druck wie hierzulande“, sagte Andreas Scheuerle, Ökonom bei der Deka-Bank. Der wesentliche Grund dafür sei die Struktur der deutschen Wirtschaft, die viel stärker als andere Volkswirtschaften auf die Industrie angewiesen ist. Die Dominanz der Industrie sei zwar über viele Jahre ein Vorteil gewesen, inzwischen aber zu einer Belastung geworden. Die durch die Ukraine-Krise verursachte Steigerung der Energiepreise, sogar das Ausbleiben der verlässlichen Energieversorgung, erschweren die deutsche Industrie enorm.
Und die Lage in der Ukraine eskaliert. Ein Ende der schwersten geopolitischen Katastrophe auf dem europäischen Kontinent seit dem Kalten Krieg ist derzeit nicht in Sicht, zumal die USA demnächst zur angeblichen Unterstützung der Ukraine Munition mit abgereichertem Uran ins Feuer werfen werden. Mitten in der Krise kann das Land weiterhin die Energieabhängigkeit Europas von sich ausnutzen, um die strategische Autonomie der EU zu schwächen.
Foto des Pentagons (Foto von Liu Jie/Xinhua)
Michele Geraci, ehemaliger Staatssekretär im italienischen Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, brachte es in der Vergangenheit bereits einmal auf den Punkt: Die von den USA angeführte NATO-Osterweiterung sei ein wichtiger Grund für die Eskalation der Ukraine-Krise. Die Kosten trage aber vor allem Europa, wie am Beispiel der großen wirtschaftlichen Verluste oder der Flüchtlingskrise deutlich werde. Die Ukraine-Krise sei eine profitable Investition der USA, die dem Land riesige wirtschaftliche Gewinne eingebracht habe.
Ein weiteres Risiko für die Bundesrepublik liegt in der abnehmenden Attraktivität für die in- und ausländischen Unternehmen. Die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, wie zum Beispiel den „Infrastructure Investment and Jobs Act“, den „CHIPS and Science Act“ oder den „Inflation Reduction Act“ (IRA). Diese Gesetze, die die verarbeitende Industrie in den USA stärken sollten, verhindern indirekt die Investitionen in Europa. Nehmen wir den IRA zum Beispiel. Das im August 2022 erlassene Gesetz zielt der Biden-Regierung zufolge darauf ab, die Inflation im Lande zu mindern und die Defizite zu senken. In Wahrheit hat das Gesetz aber durch hohe Subventionen die in- und ausländischen Unternehmen dazu ermutigt, ihre Produktionszentren in die USA zu verlagern.
Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der EU, sagte in einer Erklärung, dass das IRA-Gesetz eine abschreckende Wirkung auf die EU-Exporte gehabt hätte und einige EU-Unternehmen stärker betroffen sein würden als andere. Das Center for Economic and Policy Research (CEPR) bezeichnete die USA als „unfreundlichen Freund“ und wies darauf hin, dass das IRA-Gesetz zu signifikanten Verlusten in bestimmten Industrien innerhalb der EU führen werde.
Nach der Einführung des Gesetzes fließen wie erwartet viele Investitionen von Europa in die USA. Einer aktuellen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer zufolge wollten 39 Prozent der befragten Unternehmen ihre Investitionen in den Vereinigten Staaten erhöhen, während lediglich 32 Prozent der Befragten ihre Investitionen in Europa aufstocken wollten. In einem Bericht der Financial Times hieß es, dass 135 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen außerhalb und nur 10,5 Milliarden US-Dollar innerhalb Deutschlands getätigt werden. Ein Beispiel davon ist das Unternehmen Linde, das in den 1870er Jahren mit der Entwicklung von Kühlgeräten für Brauereien begonnen hatte und mit Stand von diesem Jahr mit einer Marktkapitalisierung von rund 150 Milliarden US-Dollar das wertvollste Blue-Chip-Unternehmen in ganz Deutschland ist. Dieses wichtige Unternehmen beschloss im vergangenen Januar, die Frankfurter Börse zu verlassen und stattdessen in New York zu notieren. Ein Grund für diese Entscheidung waren die hochattraktiven Subventionen in den USA.