Arzt aus Beijing zu Chinas Kampf gegen Coronavirus

Einsatz der Bürger und Maßnahmen der Regierung haben zum Erfolg geführt Exklusiv

23.03.2020

von Elke Lütke-Entrup


Dr. Emanuel Luttersdorfer ist Experte für internationale Gesundheit, Infektionskrankheiten und Notfallversorgung. Seit Juni 2009 lebt und arbeitet er in Beijing, derzeit in einer international tätigen Privatklinik. Außerdem ist er beratender Arzt für die deutsche und österreichische Botschaft in der chinesischen Hauptstadt. Mit China.org.cn spricht er über seine Erfahrungen mit dem neuartigen Coronavirus in China, wie das Virus dort bekämpft wurde und gibt Tipps beim Umgang mit Corona-Stress.

 

Emanuel Luttersdorfer in der Klinik


China.org.cn: Herr Luttersdorfer, wie hat sich Ihr persönlicher und beruflicher Tagesablauf durch das Coronavirus verändert?

 

Dr. Emanuel Luttersdorfer: Wie das Leben aller anderen Mitbürger auch, beeinflusst die Coronavirus-Pandemie meinen persönlichen und beruflichen Alltag maßgeblich. Von den unzähligen Kontroll- und Schutzmaßnahmen abgesehen, an die ich mich recht schnell gewöhnt habe, ist es im Wesentlichen die Veränderung der Stimmungslage der Mitmenschen. Auch wenn es sich die Wenigsten anmerken lassen, stehen viele Leute unter Stress, der in Zeiten wie diesen aus einer Unzahl an Quellen resultieren kann.

 

Ich habe Beijing seit Anfang Januar nicht mehr verlassen, daher kann ich nicht von eigenen Erfahrungen aus anderen Provinzen berichten. Ich habe hier jedoch erlebt, dass sich selbst unter den derzeitigen Bedingungen die Leute mit Anstand behandeln und versuchen, sich das Leben nicht gegenseitig zu erschweren. Die Bürger halten sich gut an die Regeln.

 

In unserer Klinik hat die Anzahl an Patienten stark abgenommen, was zum einen daran liegt, dass Leute während Epidemien Kliniken und Krankenhäuser meiden und zum anderen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Patienten nicht aus den chinesischen Neujahresfeiern zurückgekehrt, sondern in der Heimatprovinz bei der Familie geblieben ist.

 

Wie erleben Sie die aktuelle Situation bezüglich Coronavirus in Ihrer Klinik und in der österreichischen und deutschen Botschaft, die Sie beraten?

 

In der Klinik, in der ich arbeite, hat sich die Art von Patienten, die ich behandle, deutlich verändert. Aufgrund der Regulierungen der chinesischen Gesundheitsbehörde überweisen wir Patienten mit Fieber an speziell dafür designierte Fieberkliniken. Wir hatten aus diesem Grund keinen Kontakt mit Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind.

 

Ich habe recht früh damit begonnen, regelmäßige Updates in verschiedenen Diskussionsgruppen zu posten, um damit meine Kontakte und Patienten, auch in meiner Rolle als Botschaftsarzt, auf dem Laufenden zu halten. Mir wurden unzählige Fragen gestellt, die ich nach dem jeweils aktuellen Wissenstand und ohne meine Antworten zu sehr auf Vermutungen und Hypothesen zu basieren, zu beantworten versucht habe.

 

Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach die chinesische Regierung und jeder einzelne Chinese beim internationalen Kampf gegen das Virus?

 

Einer zu schnellen Ausbreitung des Virus und damit einer Überforderung des Gesundheitssystems Einhalt zu gebieten, um Kapazitäten für die Behandlung schwerwiegender Fälle zu ermöglichen. Auch geht es darum, ein möglichst großes Zeitfenster für die Entwicklung einer wirksamen Therapie zur Behandlung von infizierten Patienten beziehungsweise eines Impfstoffes zur Vorbeugung von Infektionen zu schaffen.

 

China hat im Kampf gegen das Virus eine Vorreiterrolle und kann aufgrund der Erfahrungen, die hier bereits gemacht wurden, „Best Practice“ Modelle in andere Länder exportieren, die zeitversetzt mit Problemen zu kämpfen haben, die in China zum Teil schon gelöst wurden.

 

Was hat zu Chinas bisherigen Erfolg beim Kampf gegen die Covid-19-Pandemie geführt?

 

Sicher dazu beigetragen hat das Verständnis der chinesischen Bevölkerung für den Schweregrad der Situation. Die vielen Einzelschicksale der Personen, die mit ihrem übermenschlichen Einsatz dazu beigetragen haben, die Erkrankung an ihrer weiteren Ausbreitung zu verhindern und die Leben vieler Schwer- und Schwersterkrankter zu retten, verdienen einer besonderen Würdigung.

 

Sehr bald nachdem sich die wesentlichen Merkmale des neuen Krankheitserregers herauskristallisiert hatten, hat die chinesische Regierung stringente Maßnahmen ergriffen, einer sich abzeichnenden Katastrophe bestmöglich Einhalt zu gebieten.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: China,Beijing,Coronavirus,Arzt,Maßnahmen