Wolfram Elsner

China meint es ernst mit dem Aufbau einer ökologischen Zivilisation Exklusiv

11.03.2022

Von Elke Lütke-Entrup

 

Klima- und Umweltschutz sind seit Jahren fest in der politischen Agenda der chinesischen Regierung verankert: Mit dem Begriff „ökologische Zivilisation“ in den vergangenen Fünfjahresplänen sind die Förderung von innovativen Öko-Technologien und eine ganzheitliche, nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft in den Fokus gerückt. Wie erfolgreich ist China damit? Ist sein Vorgehen auch im Westen denkbar? Dazu hat China.org.cn Prof. Wolfram Elsner, Ökonom, Hochschulprofessor, langjähriger China-Kenner und Autor zahlreicher China-Publikationen, befragt.

 

China.org.cn: In Ihren Vorträgen und Büchern bezeichnen Sie China als neue Ökologie-Großmacht. Warum?

 

Prof. Wolfram Elsner: China ist das Land, das heute am konsequentesten die alten wirtschaftlichen Erfolgsmaßstäbe (Sozialprodukt und Wachstum) in Frage stellt und eine ökologische Zivilisation in die Realität umsetzt.

 

China entwickelt sich mit hoher Geschwindigkeit, weg von der ihm einst vom Westen zugewiesenen Rolle der Werkbank für globale Billigproduktion und des Endlagers für den Konsummüll des Westens. Es verfolgt die weltweit konsequenteste und schnellste Transformationsstrategie vom alten Energieträger Kohle zu erneuerbaren Energieträgern und von der einst hohen CO2-Emissionsintensität zu einer baldigen CO2-Neutralität.

 

China ist außerdem das Land mit der mit Abstand höchsten Dichte an E-Mobilität und Schienenverkehr. Es ersetzt schlechte Kohle durch beste Kohle, alte Kohlekraftwerke durch solche mit neuester Technologie und höchster Effizienz. Sie sind „ultraemissionsarm“, mit etwa 50 Prozent der Emissionen traditioneller Kohlekraftwerke, die in den USA noch dominieren.

 

Das Land ist Weltmarktführer bei Solar-, Wind- und Wasser-Technologien, liegt in der Mobilitätsentwicklung vorn, bei Wasserstofftechnologien und neuesten, hocheffektiven Batterietechnologien.

 

Es ist das einzige Land, das bereits Induktionsstrom-Autobahnen baut, das in der Energiepolitik die Thorium-Flüssigsalzreaktoren neu entwickelt hat und damit bald die klassische Atomkraft ersetzen kann. Zudem ist es das einzige Land, das mit neuesten Hochgeschwindigkeitszügen auf absehbare Zeit in der Lage ist, viele Inlandsflüge zu ersetzen.

 

China ist zudem mit großem Abstand Weltmeister in der Aufforstung, bei der Zurückdrängung der Wüsten durch neuartige Waldgebiete, damit auch in der Verbesserung des regionalen Klimas und der Absorption des größten Teils seiner CO2-Emissionen.

 

Ferner führt es weltweit bei zahlreichen Technologien nachhaltiger Stadtentwicklung, von Null-Emissions-Gebäuden, -Firmen und -Industrieparks und bei alternativen Materialien für Alltagsprodukte. Bei der Implementierung nachhaltiger Konsum- und Lebensweisen (z.B. über die Ant-Forest-App) oder der flächendeckenden Wiedereinführung chemiefreier traditioneller Reisanbau-Methoden in Kombination mit der Fischwirtschaft ist China ebenfalls erfolgreich.

 

Ein China-Europa-Güterzug mit medizinischen Hilfsmaterialien gegen die Coronavirus-Epidemie fährt vom Westbahnhof in Yiwu nach Spanien ab. (Archivfoto von Xinhua)


Und China implementiert mit weltweit mehr als 140 Partnerländern und rund 40 internationalen Organisationen die zunehmend grünen Neuen Seidenstraßen, deren Projekte heute flächendeckend ökologisch kontrolliert werden. Der eurasische Containerzug von Ostchina bis Rotterdam, der inzwischen alle zwei Stunden fährt, ist die ökologisch optimale Verkehrsform. Sie ist schneller als das Containerschiff und billiger als das Flugzeug, leistungsfähiger und viel ökologischer als beide.

 

Die Kreditvergaben seiner Entwicklungsbanken werden ökologisch evaluiert, seine zahlreichen „grünen Einhörner“ sind weltweit im Gespräch der Banker ebenso wie seine grünen Investitionsfonds, in die westliche Finanzinvestoren heute hineinströmen. Die Umweltziele im neuesten 14. Fünfjahresplan sind atemberaubend und ein Zeichen dafür, wie ernst man es in China mit der ökologischen Transformation meint.

 

Nicht zuletzt hat sich China international bereits aus der Finanzierung von Kohle, Öl und Gas herausgezogen, während die USA und ihre Anhänger (Kanada, Australien u.a.) laut Bloomberg ihre umweltschädlichen Finanzierungen von Kohle-, Öl- und Gasförderung noch erhöhen.

 

Das hört sich gut an, aber China war in den vergangenen Jahren Spitzenreiter beim CO2-Verbrauch aus Kohle, Öl und Gas. Warum?

 

Absolute Zahlen der ständig polemisierenden westlichen „Einheiz“-Medien, spezialisiert auf Fake News, haben keinen Aussagewert. Bei der hier entscheidenden Pro-Kopf-Emission liegt China als größtes Entwicklungsland der Welt nur bei etwa einem Drittel der USA und weniger als der Hälfte der EU, irgendwo im Bereich der Weltranglistenplätze 25 bis 30.

 

Die aktuellen Erhöhungen des Energieverbrauchs Chinas sind dadurch bedingt, dass die Strategien zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die Welt zwischen dem Westen und China gespalten haben. Während der Westen ökonomisch nicht wieder stabil auf die Beine kommt, hat Chinas Wirtschaft seit der zweiten Jahreshälfte 2020 wiedergeboomt. China wurde somit ungewollt erneut die Produktionsstätte der Welt mit Exportrekorden und einem Wachstum bei acht Prozent im Jahr 2021.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: ökologische Zivilisation,China,Westen,Umwelt,Klima