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Frage 9-6: Seit einigen Jahren werden in Städten lebenden Landstreicher und Bettler ohne sichere Einnahmequellen nicht mehr in ihre Heimatorte zurückgeschichkt, sondern man gewährt ihnen Hilfe. Wie ist diese geänderte Politik zu erklären?
Mitarbeiterin einer Hilfsstation in Chongqing zeigt verwahrlosten Kindern ihr Zimmer.
Antwort: Die früher in China gängige Vorschrift, Landstreicher und Bettler in Gewahrsam zu nehmen und dann in ihre Heimatorte zurückzuschicken, war eine Folge der Planwirtschaft und eine gemeinnützige Maßnahme. Die in die Städte strömenden Erwerbslosen und Katastrophengeschädigten konnten nicht anders versorgt werden. Lebensunterhalt und die Interessen der Landstreicher und Bettler waren nicht anders zu sichern. Aber mit zunehmender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung entsprachen diese Verwaltungsmethoden nicht mehr den realen Erfordernissen. Hinzu kommt, dass mancherorts vorschriftenwidrig agiert wurde. Die Vorschrift, diese Menschen in ihre Heimatorte zurückzuschicken, entsprach nicht mehr den Notwendigkeiten.
Um diese Vorschrift aufzuheben, wurde in den Städten ein Unterstützungs- und Verwaltungssystem für Landstreicher und Bettler ohne sichere Einnahmequellen eingeführt. Das war ein Versuch, unter neuen historischen Bedingungen, entsprechend dem gesellschaftlichen Fortschritt, die bisherige Praxis zu ändern. Am 1. August 2003 traten daher die "Bestimmungen über die Unterstützung und Verwaltung von Landstreichern und Bettlern ohne sichere Einnahmequellen in Städten" in Kraft. Nach diesen Bestimmungen können die in den Städten lebenden Bettler, die nicht in der Lage sind, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen, die auch keine sie unterstützenden Verwandten und Freunde haben und nicht in das System zur Sicherstellung des Existenzminimums einbezogen wurden, staatliche Hilfe erhalten. Zu dieser Hilfe zählt die Abgabe von Nahrungsmitteln, die Bereitstellung von Unterkünften, die Behandlung erkrankter Menschen in Hilfsstationen, die Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu Verwandten oder früheren Arbeitseinheiten sowie die Ausstellung von Bescheinigungen für die kostenlose Nutzung von Verkehrsmitteln.
Zu den in die Hilfsstationen aufgenommenen Personen gehören verschiedene Personengruppen. Neben Landstreichern und Bettlern, die für sich selbst voll verantwortlich sind und die ihr Leben selbst gestalten können, gibt es Behinderte, Senioren und Minderjährige, die nicht für sich selbst sorgen können und oft unter Vormundschaft gestellt werden müssen. Minderjährige, die jünger als 16 Jahre sind, werden in Zentren zur Unterstützung und zum Schutz verwahrloster Kinder geschickt; Behinderte und über 70-jährige Senioren, die nicht mehr für sich selbst sorgen können, werden in entsprechenden Einrichtungen von Mitarbeitern betreut. Normalerweise ist die Hilfeleistung auf zehn Tage beschränkt. Danach sind die örtlichen Organe der jeweiligen Heimatgemeinden den Hilfsbedürftigen verpflichtet, sie weiter zu unterstützen und unterzubringen. Den in ihre Heimatorte zurückgekehrten Behinderten, Minderjährigen und Senioren wird besonderer Beistand geleistet, damit sie ihre Schwierigkeiten in der Produktion und im Leben überwinden, um nicht weiter umherwandern und betteln zu müssen. Menschen, die unfähig sind, für sich selbst Verantwortung zu tragen, werden von den Hilfsstationen zur Betreuung in örtliche soziale Fürsorgeeinrichtungen gebracht.
Die Hilfe erfolgt freiwillig und ist kostenlos. Landstreicher und Bettler, die sich nicht an die Hilfsstationen wenden, sollen von Mitarbeitern der Stadtverwaltung über Hilfsstationen informiert werden; Behinderte, Minderjährige und Senioren sind in die Hilfsstationen zu geleiten oder begleiten. Schwerkranke sollen in eine der vom Ministerium für Gesundheitswesen festgelegten medizinischen Einrichtungen zur Behandlung gebracht werden. Die Hilfsstationen erheben weder von den Unterstützten und ihren Familienangehörigen noch von den Arbeitseinheiten Gebühren. Die persönliche Freiheit der zu Unterstützenden wird in den Hilfsstationen geschützt. Sie können diese Stationen jederzeit verlassen, was die humanitäre Seite der Fürsorge unterstreicht. Lehnen Landstreicher und Bettler die Hilfe ab, dürfen sie nicht zur Annahme gezwungen werden. Statistischen Angaben zufolge hatte China bis Ende 2006 über 1100 Hilfsstationen und 130 Zentren zur Unterstützung und zum Schutz verwahrloster Kinder errichtet. Im Jahre 2006 wurde in mehr als 700 000 Fällen Hilfe geleistet, in 100 000 Fällen betraf es verwahrloste Kinder. Das zeigt, wie notwendig und wirksam diese Hilfseinrichtungen für Menschengruppen mit besonderen Schwierigkeiten sind.
China ist gegenwärtig noch nicht in der Lage, Landstreicherei und Bettelei als soziales Phänomen zu beseitigen. Auch in den entwickelten Ländern besteht dieses Problem. Wir wollen durch die Vervollständigung des sozialen Absicherungssystems und des sozialen Hilfssystems sowie durch eine einheitliche, koordinierte Entwicklung in Stadt und Land das Problem lösen. Wir sind bemüht, die sozialen Ursachen für Landstreicherei und Bettelei an ihrem Ursprung einzudämmen und, falls möglich, zu beseitigen. Dies ist aber eine langfristige Aufgabe, an der unermüdlich zu arbeiten ist.